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Mona Neubaur und Hendrik Wüst wollen schnell das erste schwarz-grüne Bündnis in NRW schmieden.

© Henning Kaiser/dpa

Was bedeutet das für den Bund?: Schwarz-Grün wird zum neuen Machtzentrum

In NRW und Schleswig-Holstein läuft alles auf Schwarz-Grün hinaus, die FDP ist frustriert. Für die Ampel wird das Regieren dadurch nicht leichter.

Mit Schwarz-Grün soll es jetzt ganz schnell gehen. In Nordrhein-Westfalen treffen bereits an diesem Mittwoch in Düsseldorf die elfköpfigen Delegationen von CDU und Grünen unter der Führung des CDU-Wahlsiegers und Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und der Grünen-Landeschefin Mona Neubaur. Ein historisches Vorhaben. Es wäre im einwohnerstärksten Bundesland das erste Bündnis zwischen CDU und Grünen.

Am Montagabend war in Kiel auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther vor die Presse getreten und hatte darüber informiert, dass sich der Landesvorstand der CDU einstimmig für die Grünen als Partner für die nächsten fünf Jahre ausgesprochen habe. Es ist das erste Mal, dass die Konservativen eine Machtoption mit den Liberalen auslassen.

Nur rund 18 Stunden später sind CDU und Grüne im Norden bereits einen Schritt weiter. Ein dreiseitiges Sondierungspapier haben die Parteispitzen erarbeitet, an erster Stelle stehen Klimaschutz und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Schon an diesem Mittwoch sollen nun Koalitionsgespräche beginnen.

Gelingen beide Verhandlungen, wären es die schwarz-grünen Bündnisse drei und vier nach Baden-Württemberg und Hessen. Etwa 38 Millionen Menschen in Deutschland hätten fortan Landesregierungen aus CDU und Grünen – ein neues Machtzentrum neben der Ampel-Regierung in Berlin.

In einer Pizzeria in Bonn kamen sich Grüne und CDU näher

Lange Zeit betrachteten sich CDU- und Grünen-Politiker als Vertreter unterschiedlicher Sphären. Erst 1995 in der Pizzeria Sassella in Bonn kamen sich Politiker beider Parteien näher. In der legendär gewordenen Pizza-Connection tauschten sich spätere Spitzenpolitiker wie Peter Altmaier, Armin Laschet, Norbert Röttgen (alle CDU), Cem Özdemir, Steffi Lemke und später auch Katrin Göring-Eckardt (alle Grüne) aus.

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Nach den Rot-Grünen Jahren und den gescheiterten Sondierungen zwischen Union und Grünen 2013 wurde die Pizza Connection 2.0 beziehungsweise Pasta-Connection – initiiert von Jens Spahn (CDU) und dem aktuellen Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour – in Berlin reaktiviert.

Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, vor den Sondierungsgesprächen mit den Grünen.
Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, vor den Sondierungsgesprächen mit den Grünen.

© Daniel Reinhardt/dpa

Angesichts der Wahlsiege in den Ländern und steigenden Umfragen im Bund scheinen Schwarz-Grün oder auch Grün-Schwarz zunehmend realistische Optionen. Für beide Seiten hat die Konstellation einen Reiz. Die Union scheint mittelfristig allein mit der FDP keine Mehrheit mehr zu bekommen, für die Grünen ist die Auswahl ihrer Partner eine komfortable Verhandlungsbasis.

Grüne: "Wir gehen auf Augenhöhe in Gespräche mit CDU"

Emily Büning, politische Geschäftsführerin der Grünen, sieht in Schwarz-Grün keine Beeinträchtigung der Ampel: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass es je nach Bundesland und Situation zu unterschiedlichen Regierungskonstellationen kommt.“ Für die Parteilinke und frühere Sprecherin der Grünen Jugend sind Koalitionen mit der CDU längst kein Tabu mehr. „Es ist eine veränderte Situation, in der drei Parteien ähnliche Ergebnisse einfahren können. Dadurch gehen wir auf Augenhöhe in Gespräche mit der CDU“, sagt sie. Die Zeit der Lager habe man überwunden, zudem sei eine Koalition keine Liebesheirat. „Uns geht es um pragmatische Bündnisse, in denen wir unsere Themen umsetzen können.“

Doch das sehen nicht alle in ihrer Partei so. Die Grüne Jugend in NRW warnt via Pressemitteilung vor den Konservativen: „Es war gerade die CDU in der NRW-Landesregierung, die vor allem durch Rückschritte und Stillstand aufgefallen ist.“

Bei der FDP herrscht dagegen Frust, dass es nicht mehr für Koalitionen mit der CDU reicht. In NRW ist eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb nicht möglich, in Schleswig-Holstein hat sich Günther nun gegen ein mögliches letztes konservativ-liberales Bündnis gestellt. „Ich bedauere, dass die FDP in NRW und Schleswig-Holstein ihre erfolgreiche Regierungsarbeit nicht fortsetzen kann“, sagt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Seiner Partei sei es nicht gelungen, die eigene Handschrift herauszuarbeiten. Die Performance der FDP im Bund sei nicht für die Niederlagen verantwortlich. „Es sind vor allem landespolitische Themen und Akteure gewesen, die die Wahlkämpfe geprägt haben.“

FDP-Generalsekretär: "Wir sind nicht die Taschenbuchausgabe der CDU"

Djir-Sarai hat selbst erlebt, was es bedeutet, in der Regierung massiv zu verlieren. Von 2009 bis 2013 ist er junger Abgeordneter im Bundestag, erlebt aus der Nähe wie die Liberalen mit fulminanten 14,9 Prozent in die Regierung mit der Union kommen. Vier Jahre später wird seine Partei abgestraft, die FDP scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde, Djir-Sarai fliegt aus dem Parlament und arbeitet fortan bei einem kommunalen IT-Dienstleister.

Zwei Lehren hat der 45-Jährige aus dieser Zeit gezogen. „Wir sind nicht die Taschenbuchausgabe der CDU.“ Die FDP habe inzwischen mehr Koalitionsmöglichkeiten und sei eigenständiger geworden. Die Ampel ist dafür der Beweis.

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Die zweite Lehre: „Jeder Partner in einer Regierung muss in der Lage sein, Themen durchzusetzen und eigene Punkte zu machen.“ Für die FDP zählt er dazu bislang die Corona-Politik der Bundesregierung, die klare Positionierung zur Solidarität mit der Ukraine sowie das Neun-Euro-Ticket, dass FDP-Verkehrsminister Volker Wissing nun auf den Weg gebracht habe.

Die Frage, ob er zufrieden mit dem Erreichten in der Ampel sei, weicht Djir-Sarai etwas aus. Für eine Bilanz sei es zu früh, wichtig sei auch weiterhin der Interessensausgleich: „Eine Ampel, die permanent grün blinkt, wird viel Unfälle produzieren.“

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