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Bundesumweltminister Peter Altmaier in Warschau.

© dpa

Koalitionsverhandlungen: Rückenwind für deutsches Klimaschutzgesetz

Beim Weltklimagipfel verspricht Umweltminister Peter Altmaier, die deutschen Zusagen zum Kimaschutz einzuhalten. Doch Union und SPD streiten noch, ob dafür auch ein Gesetz nötig ist. Per Brief an die Parteichefs machten Umweltverbände in Warschau Druck.

In den Entwürfen für den Koalitionsvertrag ist der Punkt „strittig“ gestellt. Ob die große Koalition sich auf ein Klimaschutzgesetz einigen wird, sollen in der kommenden Woche die Parteivorsitzenden von SPD, CDU und CSU unter sich klären. Die SPD hat diesen „verbindlichen Rahmen für die Klimapolitik“, wie der SPD-Klimaexperte Frank Schwabe das Gesetz nennt, in ihr Regierungsprogramm aufgenommen und will es auch durchsetzen. In der Union gibt es Widerstände, aber keine Argumente dagegen. Aus der Verhandlungsgruppe heißt es höchstens, es sei der Union eben „nicht so wichtig“, ob die Klimaschutzziele im Bundestag beschlossen oder per Gesetz festgelegt werden.

Beim Weltklimagipfel in Warschau haben kurz vor dem Eintreffen des amtierenden Bundesumweltministers Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch 85 internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Parteichef Horst Seehofer und den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel veröffentlicht. Darin forderten sie ein deutsches Klimaschutzgesetz. Es würde „Investoren Sicherheit geben, einen reibungslosen Umbau der einheimischen Energiewirtschaft ermöglichen und internationales Vertrauen und Glaubwürdigkeit herstellen“, heißt es in dem Schreiben. Das ist auch das wichtigste Argument Frank Schwabes. „Der Vorteil eines Klimaschutzgesetzes wäre Verlässlichkeit in der Klimapolitik für alle“, sagte er dem Tagesspiegel. Es ermögliche auch mehr öffentliche Kontrolle bei der Einhaltung der nationalen und internationalen Zusagen.

„Die neue deutsche Regierung wird zu ihren Klimazielen stehen – minus 40 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2020, minus 55 Prozent bis 2030 und minus 80 bis 95 Prozent bis 2050“, sagte Altmaier am Mittwoch vor der UN-Klimakonferenz. Die neue Bundesregierung werde sich zudem „an allen Anstrengungen beteiligen, um die gemeinsamen Bestrebungen der Europäischen Union voranzutreiben“, sagte Altmaier weiter. Bis 2015 müssten drei Ziele erreicht werden, darunter eine „rechtlich bindende Vereinbarung für alle Staaten“ und „langfristige Strategien“. Altmaier sagte weiter: „Wir können nicht länger in Jahren denken, wir müssen in Jahrzehnten denken.“ Drittens müssten die „nationale Anstrengungen aller Staaten nach wissenschaftlichen Kriterien nachprüfbar“ sein.

Schwabe meinte am Mittwoch, dass Altmaier an die internationale Gemeinschaft doch genau die Forderungen gestellt habe, die die SPD in den Koalitionsverhandlungen auf nationaler Ebene mit dem Klimaschutzgesetz erreichen will. So argumentieren auch die Umweltverbände in Deutschland. Die Umweltstiftung WWF hat nach der Bundestagswahl einen kompletten Gesetzentwurf vorgelegt. Neben einer gesetzlichen Festlegung auf die mittel- und längerfristigen Klimaziele erhofft sich der WWF von einem Klimaschutzgesetz auch eine konstante öffentliche Begleitung der Erreichung. Jeder Wirtschaftssektor soll Zielvorgaben erhalten, für deren Erreichung die jeweils zuständigen Ministerien mitverantwortlich sein sollen. Damit würde aus der Klimaschutzpolitik endgültig eine übergreifende Regierungspolitik.

Wie das konkret aussehen könnte, zeigt ein Blick nach Großbritannien. Das Parlament in London hat schon 2008 ein Klimaschutzgesetz beschlossen. Darin werden jeweils für vier Jahre Kohlendioxid-Budgets festgelegt, deren Einhaltung von einer unabhängigen Wissenschaftlerkommission überwacht und überprüft werden. Seit September 2012 wird das Klimawandel-Komitee von John Gummer, auch bekannt unter dem Namen Lord Deben, geführt. Er ist der zweite Vorsitzende der Kommission. In wenigen Tagen wird das Komitee seinen Bericht über das vierte CO2-Budget von 2023 bis 2027 vorlegen, das 2011 bereits festgelegt worden war. Das Komitee werde vorschlagen, das Budget nicht zu verändern, sagte Gummer dem Tagesspiegel. Was das für die britische Klimapolitik genau heiße, lasse sich allerdings erst dann entscheiden, wenn die Europäische Union ihre Klimaziele bis 2030 beschlossen haben wird. Davon hängt ab, wie ambitioniert die nationale Politik ausfallen muss. Je ehrgeiziger das europäische Ziel ist, desto mehr Treibhausgasminderung lässt sich über den europäischen Emissionshandel erreichen. Fällt es schwach aus, muss die nationale Politik nachsteuern.

Der größte Vorteil eines Klimaschutzgesetzes ist nach Gummers Erfahrung die „langfristige Sicherheit, die es gibt“. Jeder wisse frühzeitig, wie viel Kohlendioxid ausgestoßen werden dürfe. „Im kommenden Jahr beginnen wir mit der Bestimmung des Kohlenstoff-Budgets von 2027 bis 2032“, sagte er. „Sie wissen, womit sie auskommen müssen, und sie wissen, wo es hingehen soll“, denn bis 2050 hat sich Großbritannien zum Ziel gesetzt, seinen Treibhausgasausstoß um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. „In diesem Rahmen können Wirtschaft und Gesellschaft agieren. Sie sind nicht davon abhängig, ob bei der nächsten Wahl eine neue Partei an die Macht kommt“, argumentiert John Gummer. (mit AFP)

Das vollständige Interview mit John Gummer (Lord Deben) im Original finden Sie hier: "The carbon budget gives long term certainty"

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