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Koalitionsverhandlungen: Union und FDP prüfen Alternative zu Schattenhaushalt

Besonders um den künftigen Haushalt ringen CDU, CSU und FDP in Berlin. Der Plan, Sozialkosten in einen Sonderfonds auszulagern, stößt auch in den eigenen Reihen auf massive Kritik. Nun wird nach einem Ausweg gesucht. Der ist kaum weniger trickreich.

Wie können die Milliardenlöcher bei den Sozialkassen gestopft, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten und trotzdem die Steuern gesenkt werden? Um diese Frage wurde bei den Koalitionsverhandlungen von FDP, CDU und CSU seit Anfang der Woche heftig gerungen. Vor wenigen Tagen schienen die Koalitionäre bereits den Durchbruch erzielt zu haben. Die zusätzlichen Ausgaben für die Sozialversicherungen – Mittel für die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) – sollten in einem zusätzlichen, rund 60 Milliarden Euro umfassenden Fonds außerhalb des Bundeshaushalts untergebracht werden. 

Nicht zuletzt wegen des verheerenden Echos aus der Öffentlichkeit und der immensen verfassungsrechtlichen Bedenken der eigenen Fachleute haben Union und FDP dieses Vorhaben jetzt wieder verworfen. Als "Trickser" wolle man keinesfalls in die Legislatur starten, hieß es am Donnerstag am Rande der Koalitionsverhandlungen. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon, zugleich CSU-Verhandlungsführer in der zuständigen Arbeitsgruppe, wurde noch deutlicher: "Der Nachtragshaushalt für 2009 ist vom Tisch". Stattdessen verständigten sich die Koalitionäre darauf, die krisenbedingten Einnahmeausfälle nun doch über den ordentlichen Haushalt 2010 zu finanzieren.

Das Ringen um die Finanzierung der geplanten Milliarden-Steuersenkungen geht damit aber in eine neue Runde. Und so hat Schwarz-Gelb beschlossen, die Einrichtung eines "Sondervermögens" im Zusammenhang mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2010 erneut zu prüfen. So steht es in einem gemeinsamen Papier von Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU), Fahrenschon und dem FDP-Finanzexperten Hermann Otto Solms. Dadurch solle gewährleistet sein, dass die Mindereinnahmen von Arbeitslosenversicherung und gesetzlichen Krankenkassen ohne Beitragserhöhungen ausgeglichen werden können.

Dabei bleibt den künftigen Koalitionären nach Angaben aus Verhandlungskreisen aber weniger Spielraum als bisher gedacht. Denn haushalterische Vorschriften verbieten es zum einen, in das Sondervermögen 2010 auch Ausgaben für die darauf folgenden Jahre einzustellen. Zum anderen würde wegen der ab 2011 wirkenden neuen Schuldenbremse ein erneutes Sondervermögen im Haushaltsjahr 2011 auf die dann strengere Neuverschuldungsregelung angerechnet. Deshalb müsste dann eine Gegenfinanzierung für die Etataufstellung gefunden werden.

Die Bedenken gegen den sogenannten Schattenhaushalt kamen vor allem von Rechtsexperten aus dem Innenministerium. Das Kanzleramt dagegen hatte keine Vorbehalte. Die FDP monierte, dass es "sehr schön" gewesen wäre, "wenn beide Häuser zu einer einheitlichen Bewertung gekommen wären". Man sei sehr verwundert, wie unterschiedlich die Union agiere.

Als klar war, dass der Widerstand gegen den Sonderfonds zu groß werden würde, berieten die Unterhändler fieberhaft über Alternativen, die ihnen trotzdem die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen ermöglichen. Geeinigt hat man sich auf eine Variante, wonach das bisher vorgesehene Darlehen an die BA in einen Zuschuss umgewandelt wird. Ziel sei eine "transparente und verfassungsrechtlich saubere Lösung", der Zuschuss solle an "strenge Kriterien" geknüpft sein. CDU-Verhandlungsführer de Maizière sprach von einer Größenordnung in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro.

In Verhandlungskreisen hieß es, mit dieser Maßnahme würde zwar die Neuverschuldung des Bundes im Jahr 2010 stark steigen. Doch zugleich verbessere sich die Ausgangslage für den von 2011 bis 2016 von der Schuldenbremse vorgeschriebenen Abbaupfad: Zwar müsse die Neuverschuldung jährlich stärker zurückgefahren werden, in absoluten Zahlen könnten aber in den Folgejahren mehr Kredite aufgenommen werden.

Allerdings kommen auf die BA durch das Darlehen mehr Kosten zu, da sie das Geld ja zurückzahlen muss. Dadurch könnte auch der Druck auf die Beträge steigen. Sie werden möglicherweise stärker angehoben als bislang geplant. De Maizière, Solms und Fahrenschon allerdings betonten in ihrer Erklärung, dass die Beiträge stabil gehalten werden sollen. "Damit spannen wir einen Schirm auf zum Schutz der Arbeitnehmer in der Krise." Bisher haben sich die Koalitionäre darauf verständigt, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bei drei Prozent (derzeit 2,8 Prozent) gedeckelt werden sollen.

Ganz ums Sparen können sich Union und FDP allerdings nicht drücken. Konkrete Sparlisten werde der Vertrag zwar nicht enthalten, dafür aber "goldene Regeln". So heißt es im Entwurf für den Koalitionsvertrag, dass "das Ausgabenwachstum unter dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes liegen" müsse. Dies ist nicht weniger als eine strenge Anweisung an die Ministerien: In den kommenden Jahren müssen sie straff sparen.

Zudem will sich das Kabinett in Zukunft vor Beginn der Haushaltsplanung auf die Eckwerte des Etats verständigen und erst dann den Ministerien deren Ausgestaltung überlassen. Gegenwärtig funktioniert die Etataufstellung genau anders herum. Dies führt am Ende dazu, dass in den Ressorts doch immer mehr Geld ausgegeben wird als vorher geplant.  

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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