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Eine SPD-Aktion gegen die sachgrundlose Befristung.

© imago/photothek

Koalitionsverhandlungen: Warum die sachgrundlose Befristung so umstritten ist

Bei befristeten Arbeitsverträgen ist der Druck auf die SPD am größten – unklar ist, was sie erreichen kann. Aber muss eine Gesetzesänderung überhaupt sein?

Drei Dinge will die SPD erreichen. Neben dem Familiennachzug und der „Zwei-Klassen-Medizin“ soll es in den Gesprächen mit CDU und CSU auch darum gehen, bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen etwas zu erreichen. Aber hier seien die Diskussionen am schwierigsten, sagte am Dienstag die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Will heißen: Hier wird die SPD wohl am wenigsten erreichen.

Doch gerade hier ist der Druck auf die Partei am größten. Die Gewerkschaften machen schon seit längerem mobil gegen diese Praxis der Stellenbefristung, die sich nicht an dem vorgegebenen Katalog der Befristungsgründe im Teilzeit- und Befristungsgesetz orientieren muss. Einzige Bedingung: Sachgrundlos befristete Arbeitsverträge dürfen nicht länger als zwei Jahre laufen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte Union und SPD am Dienstag nochmals auf, vor allem die sachgrundlose Befristung im Bildungsbereich abzuschaffen. „Die neue Bundesregierung muss endlich alle Schlupflöcher im Befristungsrecht schließen“, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. „Zeitverträge unterminieren die Kontinuität und Qualität der Bildung.“ Dies gelte für Kitas, Schulen und Weiterbildungseinrichtungen ebenso wie an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Hier wird die SPD liefern müssen, denn unter den Mitgliedern der Partei arbeiten nicht wenige im Bildungssektor. Und am Ende der Koalitionsgespräche steht der Mitgliederentscheid.

Unternehmerlager will keine Änderung

Die Union, unterstützt von den Arbeitgeberverbänden, will freilich nur wenig am Status quo ändern. Denn die sachgrundlose Befristung gilt im Unternehmerlager als zweckmäßige Form flexibler Vertragsgestaltung. Vor allem jüngere Arbeitnehmer kennen das: Der Ersteinstieg erfolgt oft befristet, um Mitarbeiter erst einmal risikolos erproben zu können. Mit dem Nachteil, dass die Lebens- und Familienplanung häufig zurückgestellt werden muss. Und es fehlt natürlich an Sicherheit.

Das gilt keineswegs nur für Angestellte in der Privatwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Dienst. Dort wird sogar häufiger sachgrundlos befristet als im privaten Sektor. Was nicht zuletzt mit der gängigen Praxis an Hochschulen zusammenhängt, jüngere Wissenschaftler zunächst nicht fest anzustellen. Nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesagentur für Arbeit gehört, haben sachgrundlose Befristungen vor allem im öffentlichen Dienst stark zugenommen – der Anteil verdoppelte sich in diesem Sektor zwischen 2004 und 2013 auf ein Drittel aller befristeten Verträge.

Arbeitgeber fürchten um die Rechtssicherheit

Das hat mehrere Gründe. So wurden Stellen beim Staat häufiger nur befristet finanziert, was wohl auch mit dem Zwang zur Haushaltskonsolidierung nach der Finanzkrise zu tun hatte. Oder man nutzte das Instrument, um Arbeitnehmer – etwa Vertretungslehrer – flexibler nach Bedarf einzusetzen. Ein wichtiger Grund: Bei sachgrundlosen Befristungen schätzen auch die öffentlichen Arbeitgeber laut IAB die Rechtssicherheit höher ein, es gibt also weniger Klagen. Das wird in der Bundesregierung bestätigt.

Andererseits enden immerhin zwei Drittel dieser sachgrundlosen Befristungen mit Verlängerung oder sogar der festen Übernahme. Freilich könnte der öffentliche Dienst seine Befristungspraxis auch ändern, ohne dass das Gesetz geändert wird. Wie es heißt, wäre es durchaus möglich, viele der bisher sachgrundlos befristeten Verträge auch mit den im Gesetz genannten Sachgründen zu befristen.

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