zum Hauptinhalt
Maut, Mindestlohn, Rente, doppelte Staatsbürgerschaft - was ist darauf geworden?

© dpa

Update

Koalitionsvertrag: Was ist aus den großen Streitthemen geworden?

Pkw-Maut, Mindestlohn, Rente, doppelte Staatsbürgerschaft - es gab viele große Streitthemen zwischen Union und SPD auf dem Weg zur großen Koalition. Was ist aus den Knackpunkten im Vertrag geworden?

Sie haben bis in den frühen Mittwochmorgen verhandelt. Am Ende steht nun ein 185 Seiten dicker Vertrag (hier als Download). In trockenen Tüchern ist die große Koalition aber noch nicht, weil die SPD noch ihre Mitglieder über den Vertrag abstimmen lässt. Und davor haben die Sozialdemokraten ordentlich Respekt, weil die Basis einer Koalition mit der Union sehr skeptisch gegenüber steht.

Um so wichtiger war es für die SPD, einige Punkte im Vertrag durchzudrücken. Das wichtigste Projekt für die Sozialdemokraten war dabei der Mindestlohn.

Als "schwierig" und "hart" bezeichneten Politiker beider Seiten die Verhandlungen. Kein Wunder, gab es doch eine Menge Streitpunkte, über die seit Wochen entweder heftig gestritten oder lieber gar nicht erst gesprochen wurde. So etwas, lautet eine Verhandlungsregel, hebt man sich bis zum Schluss auf, wenn alles mit allem verhandelt wird.

Was aus den großen Streitthemen nun am Ende geworden ist, erfahren Sie hier im Überblick:

Mindestlohn

Beim Mindestlohn fühlt sich die SPD als Sieger. Sie hat ihn gewollt, ohne Mindestlohn von 8 Euro 50 würde er keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, versprach Parteichef Sigmar Gabriel auf dem Leipziger Parteitag den Mitgliedern. Der Koalitionsvertrag sieht jetzt vor, dass zum 1. Januar 2015 ein "flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt" wird. Geltende Branchenmindestlöhne sollen davon unberührt blieben, für eine Übergangszeit von zwei Jahren bis Ende 2016 dürfen auf der Grundlage repräsentativer Tarifverträge noch geringere Löhne gezahlt werden. Ab 2017 aber "gilt das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau uneingeschränkt", so der Koalitionsvertrag.

Ausnahmen könnte es für Saisonarbeiter geben, deren "mögliche Probleme" bei der Umsetzung berücksichtigt werden sollen. Auch für ehrenamtliche Tätigkeiten im Rahmen von Minijobs sei der Mindestlohn "nicht einschlägig".

Eine Mindestlohnkommission mit je drei Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften und einem Vorsitzenden soll "in regelmäßigen Abständen" die Höhe des Mindestlohns überprüfen, erstmals zum 10. Juni 2017 mit Wirkung ab 2018. Der Vorsitzende der Kommission wird allerdings nicht per Los bestimmt, wie auch diskutiert, sondern per Gesetz.

Rente

Bei der Rente haben Union und SPD mal so richtig hingelangt und sämtliche Finanzierungsbedenken über Bord geworfen. Die Besserstellung von Müttern mit vor 1992 geborenen Kindern, die abschlagfreie Rente mit 63 für langjährige Versicherte und eine höhere Erwerbsminderungsrente könnten bei voller Wirksamkeit mit über zehn Milliarden Euro jährlich zu Buche schlagen. Allein durch die Mütterrente wären die heutigen Reserven der Rentenkasse in Höhe von etwa 31 Milliarden Euro in fünf Jahren komplett aufgebraucht.

Etwa neun Millionen Rentnerinnen (und einige Rentner) mit vor 1992 geborenen Kindern bekommen jetzt demnach mehr Geld. Für jedes Kind bekommen sie ab Juli 2014 einen zusätzlichen Rentenpunkt, der im Westen derzeit 28,14 Euro und im Osten rund 25,74 im Monat wert ist. Finanziert werden die jährlichen Kosten von etwa 6,5 Milliarden Euro aus den Beitragsmitteln der Rentenversicherung - also durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 kommt zwar - aber das Zugangsalter steigt schrittweise, so dass daraus voraussichtlich bis 2031 eine Rente mit 65 geworden ist.

Die Renten von Geringverdienern, die 40 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung gezahlt haben, sollen auf bis zu 30 Rentenpunkte aufgestockt werden. Das entspricht heute knapp 850 Euro im Westen. Die Einführung ist für 2017 geplant.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Im Koalitionsvertrag heißt es jetzt recht kurz und knapp: "Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht." Der SPD dürfte aber genau das reichen. Denn SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte den Doppelpass auf dem SPD-Bundesparteitag noch zur Bedingung für eine Koalition hochgejazzt. Dabei war den Sozialdemokraten vor allem der Optionszwang, wonach sich in Deutschland geborene Kinder von Einwanderern zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen, ein Dorn im Auge. Mit der jetzt gefundenen Formulierung im Koalitionsvertrag wird die SPD gut leben können. Die CSU hatte zumindest in Form ihres Vorsitzenden Horst Seehofer bereits davor Kompromissbereitschaft signalisiert. Nur Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war ein entschiedener Gegner der Abschaffung des Optionsmodells. Jetzt ist es auch nicht grundsätzlich abgeschafft, aber zumindest für in Deutschland geborene Kinder - und das war die Gruppe, um die es hauptsächlich ging.

Pkw-Maut

Es ist das Lieblingsprojekt der CSU. Ohne die Pkw-Maut wollte Seehofer keinen Vertrag unterschreiben. Jetzt kann er den Stift zücken. Denn sie hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Man wolle eine Pkw-Maut, "mit der wir Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW an der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligen wollen, ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge höher als heute zu belasten", heißt es im Vertrag. Allerdings lesen viele der Beteiligten das nur als eine Art Prüfauftrag. Denn kaum waren die Verhandlungen abgeschlossen, geht der Streit wieder los. CDU-Vize Julia Klöckner rechnet nicht damit, dass die Maut umgesetzt wird. „Das wird überprüft. Ich sehe es noch nicht, dass es wirklich am Ende dazu kommt“, sagte sie im ZDF. Ähnlich äußerte sich der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner: „Wenn Weihnachten und Ostern zusammengelegt werden im nächsten Jahr, dann kommt auch die Maut.“ Die CSU rechnet weiter damit. „Die Pkw-Maut wird kommen und so steht's drin“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nach den Verhandlungen.

Betreuungsgeld

Das Betreuungsgeld, das die SPD im Wahlkampf noch so vehement als "Herdprämie" bekämpft hatte, bleibt. Im Koalitionsvertrag wird kein Wort mehr darüber verloren, auch keine „Prüfung“ der Leistung oder ähnliches. Hier hat sich die CSU auf voller Linie durchsetzen können. Und so viel Gegenwehr hat es bei den Sozialdemokraten offenbar auch nicht gegeben.

Bei der Elternzeit hat man sich darauf geeinigt, dass diese insgesamt 36 Monate künftig noch flexibler gestaltet werden können. Demnach sollen dann „ohne die Zustimmung des Arbeitgebers nach angemessener vorheriger Anmeldung zukünftig 24 statt 12 Monate

zwischen dem 3. bis 8 . Lebensjahr des Kindes von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden können“.

Das Elterngeld soll es künftig bei Teilzeitarbeit länger geben – insgesamt bis zu maximal 24 Monate. Und es soll offenbar erhöht werden um einen „Partnerschaftsbonus zum Beispiel in Höhe von zehn Prozent des Elterngeldes“. Weiter heißt es dazu im Koalitionsvertrag: „Ihn erhalten alle Elterngeldbeziehenden, die beide parallel 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten.“

Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften

In dem Punkt haben beide Seiten einen echten Formelkompromiss geschlossen, damit alle konform gehen, aber am Ende wohl auch keiner so recht weiß, was damit anzufangen ist. "Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen", heißt es im Vertrag. Eine Gleichstellung mit der Ehe, wie es die SPD wollte, steht also nicht im Vertrag. Eine Volladoption, die die Union nicht wollte, steht auch nicht im Koalitionsvertrag. Es heißt lediglich: "Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen."

Vorratsdatenspeicherung

Hier haben sich beide Seiten ebenfalls geeinigt - und zwar so, dass erstmal unklar bleibt, was das nun konkret bedeutet. "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommuni-kationsverbindungsdaten umsetzen", steht im Koalitionsvertrag. Und: "Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken." Fraglich ist nun, wann die derzeit bestehende Richtlinie umgesetzt wird? Sofort oder erst nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat und mit welcher Speicherfrist? Versteht man Angela Merkel richtig, dann wird es schnell gehen. "Das wird eines der ersten Gesetze, die wir beschließen werden", sagte sie am Mittag vor der Bundespressekonferenz. Denn in der EU sind Telekommunikationsunternehmen seit einigen Jahren verpflichtet, Verbindungsdaten ihrer Kunden auch ohne konkreten Anlass oder Verdacht mindestens sechs Monate und maximal zwei Jahre lang aufzubewahren, damit Ermittler zur Aufklärung schwerer Verbrechen darauf zugreifen können. Deutschland hat diese EU-Richtlinie bisher nicht umgesetzte, weil FDP und Union keine Einigung fanden. Nun läuft am Europäischen Gerichtshof ein Vertragsverletzungsverfahren. Ein Urteil wird im Frühjahr erwartet. Die SPD ist nicht generell gegen die Vorratsdatenspeicherung, aber nur bei kürzeren Speicherfristen, mit einem Richtervorbehalt und sehr schweren Straftaten. Das findet sich auch im Koalitionsvertrag.

Steuern

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vieles vereinbart, was mehr Geld kostet. Schon jetzt werden die Mehrausgaben, auf die man sich geeinigte hat, für die kommenden Jahre auf mindestens 23 Milliarden Euro beziffert. Wie diese finanziert werden sollen, ist allerdings unklar. Denn es soll weder Steuererhöhungen geben, darauf hat die Union beharrt, noch neue Schulden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false