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Gegner der Kohle wollen Minister Gabriel zum Ausstieg zwingen. Doch aktuell weiß niemand, wie angesichts der verschleppten Energiewende der Strom ohne Kohle bezahlbar bleiben soll.

© dpa

Kohleausstieg: Am Ende steht ein Deal

Das alte Geschäftsmodell der großen Vier des Energiemarkts ist dahin, ein neues nicht in Sicht. Eine Atomstiftung wäre der letzte Mosaikstiftung zum Ausstieg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Die Energiekonzerne und die Bundesregierung haben eine Menge zu besprechen. Aber seit der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 tun sie das kaum noch. Vorbei die Zeiten, als der RWE-Chef in den Verhandlungen um die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke seine Wünsche direkt auf das Mobiltelefon der Kanzlerin funken konnte. Beim Atomausstieg war die stolze Branche schon nicht mehr besonders gefragt. Seither ist den vier großen Energiekonzernen ihr Geschäftsmodell abhandengekommen und ein neues nicht in Sicht. Beim Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft sind die immer noch großen Vier jedenfalls nicht vorne dabei, sondern fast nur noch als Verhinderungsmacht wahrnehmbar.

Dazu kommt, dass sich die Versuche einiger Stadtwerke, den großen Vier Konkurrenz zu machen, unter den veränderten Marktbedingungen nicht ausgezahlt haben. Stadtwerke-Konsortien wie die Steag, Trianel oder die Thüga machen zwar mit Windparks oder Solarparks gute Geschäfte, nicht aber mit Gaskraftwerken oder neuen Kohlekraftwerken. Während die Stadtwerke im Süden Deutschlands überwiegend schwarze Zahlen schreiben, steigt die Zahl der Stadtwerke in Nordrhein-Westfalen, die in die roten Zahlen rutschen. Dazu kommt, dass viele ohnehin schon überschuldete Städte im Ruhrgebiet Anteile an RWE halten. Und RWE tut sich mit der neuen Energiewelt am schwersten.

Die Branche hat auf neue Subventionen gehofft

Die Ruhrgebiets-SPD hat also ein gewaltiges Problem. Die Energiegewerkschaft IG BCE fürchtet derweil um Traditionsarbeitsplätze in Braunkohletagebauen und in Kohlekraftwerken. Dass RWE-Vorstandsmitglieder und Gewerkschaft gemeinsam auf die Straße gehen, um für neue Subventionen für notleidende Kohlekraftwerke zu kämpfen, zeigt, wie kompliziert die politische Lage für Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel geworden ist.

Die Branche hat auf einen Deal gehofft, der ihr neue Subventionen über den Strommarkt bringen könnte. Doch die Debatte darüber, welche Leistungen in Zukunft über den Strompreis vergütet werden sollen, hat gerade erst begonnen. Ein Deal wäre aber auch in eine andere Richtung denkbar. Der Atomausstieg hat trotz seines klaren Zeitplans eine Vielzahl von offenen Fragen hinterlassen. Ob die Rücklagen der Energiekonzerne für die Bewältigung des Rückbaus der Atomkraftwerke reichen werden, und vor allem, ob diese Rücklagen angesichts ihrer wirtschaftlichen Probleme überhaupt zur Verfügung stehen, ist zunehmend unklar. Deshalb haben die großen Vier eine Atomstiftung ins Gespräch gebracht, um diese schwer kalkulierbaren Lasten loszuwerden. Um ihre Verhandlungsposition zu stärken, haben sie zudem mehr als 20 Prozesse angestrengt, bei denen es auch um Schadenersatzforderungen geht. Vielleicht wäre es an der Zeit, anzuerkennen, dass die Steuerzahler die Atomlasten am Ende auf jeden Fall tragen müssen.

Wenn die Steuerzahler die Konkursmasse eines oder mehrerer Atomkraftwerksbetreiber übernehmen müssten, wäre das jedenfalls nicht billiger, als gleich eine Atomstiftung zu gründen. Das ist politisch schwer zu verkaufen. Aber es wäre der letzte Mosaikstein zum Atomausstieg. Ein solcher Deal könnte den Übergang zu einer klimafreundlichen Energieversorgung erleichtern. Pragmatische Lösungen sind nicht schön, aber dafür besser kalkulierbar.

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