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Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg). Das Braunkohlekraftwerk ist mit einer installierten Leistung von 3.000 Megawatt nach Firmenangaben das größte seiner Art in Deutschland.

© dpa

Kohlekompromiss: „Viel Unsinn in der Debatte“

Umweltministerin Hendricks ist unzufrieden mit der Koalitionseinigung, trägt sie aber mit. Thüringens Ministerpräsident ärgert sich vor allem über bayerische Privilegien beim Ausbau des Stromnetzes.

Barbara Hendricks (SPD) gehört nicht zu den verdrucksten Politikerinnen, die immer nur diplomatisch um den heißen Brei herumreden. In einem Gastbeitrag für die „Welt“ ärgert sie sich über die Beschlüsse der drei Parteichefs zur Energiewende. Hendricks ist nicht zufrieden damit, dass 2,7 Gigawatt Braunkohleleistung in eine Kapazitätsreserve eingestellt werden und die Stromkunden dafür vier Jahre lang zahlen müssen. Sie habe den nun abgelehnten Klimabeitrag „von Anfang an unterstützt“, weil er „zielgerichtet, effizient und in der Logik des Emissionshandels systemgerecht“ sei.

Monatelang sei „verbissen darum gekämpft“ worden, „ die Kohleverstromung möglichst weitgehend von Klimaschutzanstrengungen zu verschonen“, kritisierte Hendricks. Sie warf CDU und CSU vor, mit der Kohlereserve eine „deutlich teurere Alternative erwirkt“ zu haben. In der Debatte sei viel „Unsinn“ geredet worden. Aber: „Niemand wird ernsthaft bestreiten können, dass der Abschied von der Kohleverstromung unaufhaltsam ist, weil wir unsere langfristigen Klimaschutzziele nur mit einer vollständig dekarbonisierten Energiewirtschaft erreichen können.“ Und weiter: „Man kann nicht in Elmau (beim G-7-Gipfel) die klimaneutrale Weltwirtschaft verkünden und gleichzeitig so tun, als ob das für die Kohleregionen in unserem Land alles nicht gilt.“ Am Nachmittag musste die offenherzige Ministerin etwas zurückrudern. Über einen Sprecher ließ sie ausrichten: „Die Ministerin trägt die Beschlüsse voll mit, denn die Ergebnisse sind gut.“ Der von Hendricks scharf kritisierte CDU-Chef aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sprach von einer „Geisterfahrt“ der Ministerin.

Auch Klaus Töpfer findet den Kompromiss falsch

Aber auch Hendricks’ Vorgänger im Amt, Klaus Töpfer (CDU), findet den Kompromiss falsch. „Das kann nur ein Zwischenschritt sein. Die Notwendigkeit, sich in der Kohlepolitik zu einigen, ist zwingender denn je“, sagte der Chef des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS der Nachrichtenagentur epd. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beklagte eine „zum Teil überideologisierte Debatte“. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) verteidigte die Beschlüsse bei seinem Auftritt vor der Endlagerkommission. Eigentlich müssten die Umweltverbände jubeln, „schließlich legen wir 13 Prozent der Braunkohlekraftwerke still“.

In der Wirtschaft ist die Begeisterung für den Netzausbau mit einem Vorrang für Erdkabel nicht groß. Der Chef des Industrieverbands DIHK, Eric Schweitzer, warnte vor den höheren Kosten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schimpfte auf Privilegien für Bayern. Es könne nicht sein, dass die Thüringer ihre Natur mit Strommasten verschandeln und dann auch noch für die teure Erdverkabelung in Bayern aufkommen müssten. „Das können wir nicht akzeptieren“, sagte Ramelow. Aber auch bei den Netzbetreibern gibt es Bedenken. Der Netzentwicklungsplan, auf dessen Basis der Ausbau organisiert werden soll, stimme nicht mehr.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist weiter begeistert, dass er nach jahrelanger Lobbyarbeit den Bau von Gaskraftwerken, zwei davon in Bayern, auf Kosten aller Stromkunden durchgesetzt hat. Diese Kraftwerke sind allerdings nach Einschätzung von Netzexperten überhaupt nicht nötig, wenn die zwei großen Gleichstromleitungen vom Norden in den Süden gebaut werden.

Am Freitag stellte Rainer Baake (Grüne), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, das Konzept für einen „Strommarkt für die Energiewende“ vor. Der soll ziemlich in Ruhe gelassen werden, findet die Regierung. Einen Aufschlag für die garantierte Leistung von Kraftwerken soll es über die Stilllegungsreserve und die bayerischen Gaskraftwerke hinaus nicht geben. Monatelang hatte die Stromwirtschaft für einen „Kapazitätsmarkt“ gestritten, um moderne Gas- und Steinkohlekraftwerke, mit denen derzeit nichts zu verdienen ist, über die Zeit zu retten. Darauf will sich die Regierung aber nicht einlassen. Das hatte sich schon seit Monaten abgezeichnet. Nun ist es in dem sogenannten Weißbuch auch nachzulesen. (mit AFP)

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