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Politik: "Kollektiver Gedächtnisschwund" - Gunda Röstel wirft der CDU-Führung vor, nicht mit offenen Karten zu spielen

Die Grünen-Vorstandssprecherin im Interview mit dem TagesspiegelGunda Röstel (37) ist Vorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Mit ihr sprach Lars von Törlen.

Die Grünen-Vorstandssprecherin im Interview mit dem Tagesspiegel

Gunda Röstel (37) ist Vorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Mit ihr sprach Lars von Törlen.

Frau Röstel, was erwarten Sie in der aktuellen Spendenaffäre von der CDU?

Die Partei muss jetzt den Umgang mit Helmut Kohl für sich klären. Denn er beschließt ja als Abgeordneter weiterhin im Bundestag über Gesetze - und hat selbst das Grundgesetz und weitere Gesetze grob missachtet.

Sollte die Partei Helmut Kohl fallen lassen?

Es geht hier nicht nur um einen Mann an der Spitze. Die eigentliche Krise ist, dass wir es mit einem systematischen Verfassungs- und Gesetzesbruch einer großen Volkspartei zu tun haben, für die das "C" im Namen offenbar nur noch "Cash" bedeutet. Es reicht nicht, die Misere an Kohl alleine festzumachen. Zum System Kohl gehörte schließlich nicht nur der Mann an der Spitze. In der CDU-Führung gibt es offenbar einen kollektiven Gedächtnisschwund.

Wen Meinen Sie Konkret?

Viele in der CDU spielen nach wie vor offensichtlich nicht mit offenen Karten. So hätte Heiner Geißler, der schon lange etwas wusste, viel eher intervenieren müssen. Warum schwieg er? Es leuchtet mir auch nicht ein, warum sein Nachfolger als Generalsekretär, Volker Rühe, von schwarzen Konten angeblich nichts gewusst hat. Und wenn Herr Schäuble Ende 1998 bemerkte, dass ein solches Konto aufgelöst wurde, warum wird dann erst jetzt, zehn Monate später, eine solche Untersuchung angesetzt? Ich erwarte, dass der jetzt eingesetzte Untersuchungsausschuss da noch etliche weitere Dinge ans Licht bringen wird. Zum Beispiel hatte die CDU Anfang der 90er Jahre einen erheblichen Minusstand, der sich innerhalb von zwei Jahren um fast 60 Millionen Mark verbesserte. Da hätte jeder im Präsidium und Vorstand der CDU nachfragen müssen. Von Helmut Kohl erwarte ich, dass er als Kronzeuge zur Aufklärung dieser Dinge beiträgt. Er muss vor allem begründen, warum die Spender nicht offen genannt werden. Das legt den Verdacht nahe, dass politische Einflussnahme im Spiel war.

Welche Konsequenzen hat die Affäre für das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik?

Sie hat eine tiefe Krise für die deutsche Demokratie verursacht. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich darin bestärkt, dass Politik käuflich ist. Deswegen fordern wir eine restlose Offenlegung - und nicht, wie bisher, nur eine Bestätigung dessen, was die Medien ohnehin ans Licht gezerrt haben.

Nachdem die schwarzen Konten der CDU bekannt wurden, gab auch die SPD zu, Spenden über 20 000 "gestückelt" zu haben, um unter der Veröffentlichungsgrenze zu bleiben. Was könnte ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer bei Ihrer Partei aufdecken?

Bei uns sind keine Enthüllungen zu erwarten, wir führen alle Spenden lückenlos auf. Stückelungen gibt es bei uns nicht. Wir sind die einzige Partei, die ihren Haushalt auf einer Bundesdelegiertenkonferenz öffentlich berät und beschließt. Ab dem 15. Dezember kann man den vollständigen Rechenschaftsbericht über das Internet abrufen. Wir sind eine Partei mit gläsernen Kassen.

Frau Röstel[was erwarten Sie in der aktuelle]

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