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Kommentar: Polen versöhnt sich mit Lech Kaczynski

Wie kaum ein polnischer Politiker vor ihm hat Lech Kaczynski mit seiner Art das Land polarisiert. Nach seinem tragischen Tod aber bleibt der Staatspräsident in den Herzen seiner Landsleute - bei Freunden wie bei Gegnern.

Hunderte von Polen haben sich am Samstagmittag in der Warschauer Innenstadt vor dem Präsidentenpalast eingefunden, um dem bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk umgekommen Staatsoberhaupt ihre letzte Ehre zu erweisen. Während das Blumenmeer weiter anwächst, vernimmt Polen Kondolenzbotschaft um Kondolenzbotschaft – gerade auch von Kaczynskis politischen Gegnern.

Kaum ein polnischer Politiker war in Europa so umstritten wie der 1949 in Warschau geborene Lech Kaczynski. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw, zuletzt Polens konservativer Oppositionschef, wollte er das Land moralisch erneuern und den Traum einer national-katholischen Wiedergeburt Polens in der so genannten „Vierten Republik“ verwirklichen.

Der Wille zum Ausgleich ging ihm ab

Das Zweigespann Lech und Jaroslaw Kaczynski war in Polen jahrzehntelang als Politiker gemeinsam aufgetreten – zuerst ab 1976 als Dissidenten, später als Berater der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnosc“, dann als stramme Antikommunisten in den ersten Nachwendejahren.

Staatspräsident Lech Kaczynski verstand sich dabei seit seiner knappen Volkswahl im Herbst 2005 immer als Handlanger seines Bruders. Der Wille zum Ausgleich ging ihm ab; statt die weltanschaulichen Lager zu versöhnen, spielte er sie gegen einander aus.

Besonders nach der Niederlage der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) seines Bruders Jaroslaw bei den Parlamentswahlen im Jahre 2007 legte er sich immer wieder mit der rechts-liberalen Regierung unter Donald Tusk an, lähmte mit einem extensiven Gebrauch seines Vetorechts den Gesetzgebungsprozess.

Die Mehrheit der Polen schätzte ihn

In der Außenpolitik stellte er sich so klar wie kein zweiter Staatschef in der EU gegen russische Großmachtphantasien. Seiner Abgrenzung gegen die Nachbarn fiel besonders zu Beginn seiner Amtszeit auch Deutschland zum Opfer.

Leicht hatten es weder seine politischen Gegner, noch einstigen Freunde mit ihm. Mit dem Friedensnobelpreisträger Lech Walesa etwa verband den als nachtragend bekannten Lech Kaczynski ein jahrelanger Ehrverletzungsprozess. Die Mehrheit der Polen aber schätzte seine im positiven Sinne unprofessionelle, ungekünstelte Menschlichkeit - und seine Ehrlichkeit.

Wiederwahl schien fast ausgeschlossen

Wie kaum ein polnischer Politiker vor ihm hat Lech Kaczynski sein Land polarisiert. Eine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit bei den Präsidentenwahlen vom kommenden Herbst erschien laut Umfragen fast ausgeschlossen. Aufgeben wollte Lech Kaczynski dennoch nicht. Ende Mai hätte er laut Informationen der polnischen Tageszeitung „Rzeczpospolita“ seine Kandidatur bekannt geben wollen.

Nun bleibt der tragisch verunglückte Lech Kaczynski Präsident in den Herzen aller Polen – seiner Befürworter wie seiner Gegner.

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