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Krisengewinnlerin. Die Chefin der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, sieht ihre Partei bereits als dritte politische Kraft in Frankreich.

© Reuters

Update

Kommunalwahlen in Frankreich: Zorn im Land - Triumph für Marine Le Pen

Zornig wenden sich viele Franzosen François Hollande ab - und bescheren den Sozialisten herbe Einbußen. Die rechtsextreme Front National fährt hingegen deutliche Erfolge ein. FN-Chefin Marine Le Pen lässt sich feiern.

Die regierenden Sozialisten in Frankreich von Präsident François Hollande haben durch die Erfolge für die rechtsextreme Front National (FN) und die konservative Opposition bei den Kommunalwahlen eine herbe Niederlage erlitten. Vor der entscheidenden zweiten Runde am kommenden Wochenende kündigten die Sozialisten an, eigene Kandidaten zurückzuziehen, um weitere Erfolge der FN zu verhindern. Nach den Worten des Sozialisten-Chefs Harlem Désir soll dieser Schachzug für Gemeinden gelten, in denen die Gefahr eines FN-Erfolges bestehe und die Sozialisten nur drittstärkste Partei oder noch schlechter in der ersten Runde waren. Als Beispiele nannte
Désir Saint-Gilles oder Tarascon, wo die Sozialisten sogar unter der Zehn-Prozent-Marke blieben. Gemeinsam mit Kommunisten und Grünen wollen die Sozialisten nach Désirs Angaben größtmögliche Verbindungen für den zweiten Wahlgang an diesem Sonntag eingehen. Dies sei bereits zwischen den Parteien besprochen.

Bei der ersten Runde der Kommunalwahlen am Sonntag lagen die Konservativen nach den vorläufigen Ergebnissen bei 46,5 Prozent. Die Linke erreichte nur 37,7 Prozent. Die extreme Rechte mit der Front National, die nur in ausgewählten Gemeinden angetreten war, kam landesweit auf 4,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung ging auf 64,1 Prozent zurück nach 66,5 in 2008. Ohne absolute Mehrheiten in den Gemeinden findet die zweite, entscheidende Runde am kommenden Sonntag statt. Listen mit Ergebnissen zwischen fünf und zehn Prozent können sich dann mit anderen Listen verbünden.

Unerwarteter Denkzettel für die Sozialisten

Die Sozialisten waren nicht darauf eingestellt, dass der Denkzettel für sie derart drastisch ausfallen würde. Das war den versteinerten Mienen anzusehen, mit denen die Politiker der Regierungspartei am Sonntagabend nach der ersten Runde der Kommunalwahlen vor die Fernsehkameras traten. Zwei Jahre nach der Wahl Hollandes zum Präsidenten wurde seine Partei von den Wählern regelrecht demontiert. „Bestraft“ lautete die Schlagzeile, mit der die französische Zeitung „Le Parisien“ am Montag aufmachte. Daneben war ein Foto von einem unsicher dreinblickenden Hollande zu sehen.

Für die Wähler spielten bei dieser Abstimmung lokale Fragen wie der Wohnungsbau oder die Wasserversorgung offensichtlich eine geringere Rolle als die Probleme der gesamten Nation: Die anhaltende Wirtschaftskrise, die wachsende Arbeitslosigkeit und die hohe Steuerlast. Einen „Cocktail aus Zorn, Desillusionierung und dem starken Gefühl des Im-Stich-gelassen-Seins“ führt der Politologe Dominique Reynie als Motiv für die Abstrafung der Sozialisten an. So bemühten sich viele Wähler gar nicht erst zur Stimmabgabe: Mit rund 61 Prozent war die Wahlbeteiligung so gering wie noch nie bei einer Kommunalwahl. Diejenigen, die zur Wahl gingen, verweigerten sich häufig den etablierten Parteien und gaben ihre Stimme der FN. Neben den Nichtwählern sind die Rechtspopulisten die Gewinner vom Sonntag. Wahlexperten sprechen von einem „historischen“ Erfolg.

Im nordfranzösischen Hénin-Beaumont war der FN-Kandidat Steeve Briois mit 50,3 Prozent gleich im ersten Wahlgang erfolgreich. Auch in Béziers, Perpignan, Avignon oder Forbach lagen die Rechtsextremen vorn. FN-Chefin Marine Le Pen sprach von einem „spektakulären“ Erfolg. Durch das Ergebnis sieht sie sich in ihrer politischen Linie bestätigt, die Partei vom Ruch des Rabaukenvereins zu befreien und wählbar zu machen. Das „Ende des Zwei-Parteien-Systems“ sei gekommen, erklärte sie, die Front National sei jetzt die „dritte politische Kraft“ im Lande.

Auch in der Hauptstadt liegen die Konservativen vorne

Premier Jean-Marc Ayrault forderte für die zweite Runde gemeinsame Anstrengungen aller Demokraten gegen die Front National. Für die Sozialisten stehen einige Städte auf der Kippe, darunter Reims, Rouen, Saint-Etienne, Amiens oder Angers.
Für die konservative UMP sprach Parteichef Jean-François Copé von einer Grundlage für einen „großen Erfolg“ im zweiten Wahlgang. Auch in der Hauptstadt Paris lag die UMP-Kandidatin Nathalie Kosciusko-Morizet laut Hochrechnungen mit 34,8 Prozent überraschend vor der Sozialistin Anne Hidalgo (33,6). Amtsinhaber Bertrand Delanoë trat nicht mehr für die Sozialisten an.
In Marseille, der zweitgrößten Stadt Frankreichs, kam der seit 19 Jahren amtierende UMP-Bürgermeister Jean-Claude Gaudin auf 37,6 Prozent, sein sozialistischer Herausforderer Patrick Mennucci nur auf 20,8 Prozent, der FN-Kandidat Stéphane Ravier landete bei 23,2 Prozent.

Nach dem französischen Kommunalwahlrecht bekommt bei einer absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang die erfolgreiche Liste 50 Prozent der Sitze. Die andere Hälfte wird prozentual unter allen Listen mit mehr als fünf Prozent der Stimmen aufgeteilt.

Ohne absolute Mehrheit gibt es einen zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag, zu dem alle Listen mit mehr als zehn Prozent aus dem ersten Wahlgang antreten dürfen. In den knapp 37 000 Städten und Gemeinden konnten zum dritten Mal auch derzeit 281 000 in Frankreich lebende EU-Bürger über die Besetzung der Kommunalparlamente mitbestimmen. (mit dpa)

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