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Linken-Chefin Gesine Lötzsch am Samstag in Berlin.

© dpa

Kommunismus-Debatte: Gesine Lötzschs revolutionärer Rückschritt

Linken-Chefin Gesine Lötzsch will über Kommunismus noch reden dürfen. Sie setzt sich gegen Kritiker ihrer umstrittenen Äußerungen zur Wehr. Vorwürfe, sie sei keine Demokratin, bezeichnet Lötzsch als "Unverschämtheit".

Von Matthias Meisner

So oder so, eigentlich konnte Gesine Lötzsch es zum Schluss nur noch falsch machen. Soll die Vorsitzende der Linkspartei mit einer ehemaligen RAF-Terroristin und der Vorsitzenden der DKP auf der „XVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz“ diskutieren, und das nach ihrem Aufsehen erregenden Aufsatz über „Wege zum Kommunismus“? Oder besser ganz fernbleiben von dem Sektierertreffen , das die linksradikale Zeitung „Junge Welt“ – früher mal FDJ-Zentralorgan – organisiert hat?

Lötzsch entscheidet sich für den Versuch, es allen recht zu machen. Sie zieht ihre aus Sicht von Fraktionschef Gregor Gysi unvorsichtigerweise gemachte Zusage für die Teilnahme an der Diskussionsrunde zurück. Stattdessen hält sie am Samstagabend im Berliner Urania-Haus eine knapp halbstündige Rede, die klarstellen soll, dass sie selbst zwar den Kommunismus in Deutschland nicht einführen will, aber „Sprech- und Denkverbote“ auch nicht akzeptiere. Eine „Unverschämtheit“ sei es, an ihr als Demokratin zu zweifeln. „Keine Partei im Land nimmt die Demokratie so ernst wie die Partei Die Linke“, versichert sie. Ein Raunen geht da durch den Saal, vielleicht ist manch einer doch ein wenig enttäuscht.

Seit den neunziger Jahren versammeln sich auf der Konferenz jene Linke, denen die PDS und spätere Linkspartei zu zahm erscheint. Dennoch schmücken sich die Veranstalter gern mit Linken-Politikern als Gäste. Der frühere Parteivorsitzende Oskar Lafontaine war mal dort, auch sein Ko-Chef Lothar Bisky. Lötzsch aber bekommt schon im Vorfeld Aufmerksamkeit ungekannter Dimension. In der „Jungen Welt“ schrieb sie Anfang Januar: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Sie selbst, fügte Lötzsch hinzu, sei aber für einen demokratischen Sozialismus.

Das wiederholt sie auch am Sonnabend. Gut 1000 Menschen sind im Saal, darunter Ex-SED-Generalsekretär Egon Krenz. Draußen auf den Fluren verfolgen hunderte weitere Besucher den Auftritt an Bildschirmen. Die zahlreichen Revolutionäre an den Infoständen haben etwas Pause. Geworben wird dort unter anderem für die „Marxistischen Blätter“, die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, die DKP und ihre Jugendorganisation SDAJ. Kurz vor Lötzschs Rede verlässt Venezuelas Botschafter im Iran das Rednerpult, die Fangemeinde im Saal skandiert „Hoch die internationale Solidarität“. Eine junge Vietnamesin verkauft unverzollte Zigaretten aus ihrer Heimat. Vor dem Haus kommt es zu Rangeleien von Sympathisanten der linken Szene mit SED-Opfern, es gibt zwei Verletzte und drei Festnahmen.

Der Kapitalismus werde „nicht das Ende der Geschichte“ sein, betont Lötzsch. Ein wenig will sie doch als Heldin gelten, weil sie dem „enormen Druck“, ganz abzusagen, widerstanden habe. So ganz gönnt ihr Fraktionskollegin Ulla Jelpke – an diesem Abend Diskussionsleiterin – diese Wertung nicht, die NRW-Abgeordnete gehört zum linken Flügel. Jelpke spricht von einem „kleinen Sieg der Antidemokraten“. Lötzsch bescheinigt sie, „ganz eindeutig einen Reformerbeitrag“ geleistet zu haben, „der eben nicht zur Revolution und zum Sturz aufrief“. Es gebe in der Linken „auch unterschiedliche Meinungen“. Als die Ex-Terroristin Inge Viett dann ansetzt zu ihrem Vortrag über den „revolutionären Prozess“, der die „Grundfesten des Systems“ überwinden solle, ist Lötzsch, an der Seite ihres Mannes Ronald, längst wieder weg – durch den Hinterausgang.

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