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Politik: Kommunizieren und formulieren

BONN .Die Telekom kann sich freuen an diesem Wochenende.

BONN .Die Telekom kann sich freuen an diesem Wochenende.Telefone und Fax-Geräte der grünen Spitzenfunktionäre werden in Dauerbetrieb sein.Kommunikation total ist angesagt.Ihr Ziel: Zur Vorstandssitzung am Montag einen Leitantrag für den Parteitag am Himmelfahrtstag hinzuzaubern, der Joschka Fischer Außenminister bleiben läßt und andererseits der Basis ermöglicht, ihre Bedenken gegen den Krieg auf dem Balkan in der offiziellen Parteipolitik wiederzufinden.48 Stunden Feuerpause der Nato ohne Vorbedingung, damit die Diplomatie eine Chance bekommt, Verlängerung möglich, falls Slobodan Milosevic daraufhin nachprüfbar mit dem Rückzug seiner Truppen aus dem Kosovo beginnt - darauf in der Nato hinzuwirken, sollen die 750 Delegierten in Bielefeld die Bundesregierung auffordern; eine Position, die mit Fischer abgestimmt ist, wie Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer am Freitag in Bonn durchblicken ließ.

Dagegen spricht nicht, daß Martin Erdmann, Fischers Sprecher im Auswärtigen Amt, ebenso wie Regierungssprecher Heye umgehend zu Protokoll gaben: "Keine Vorleistungen an Belgrad", es bleibe bei der beschlossenen Nato-Position, Bombenstopp erst nach dem Beginn des serbischen Rückzugs.Der Außenminister könnte mit der abweichenden Meinung seiner Partei leben, solange sie als Unterstützung für seine Versuche formuliert ist, eine diplomatische Lösung unter Einschluß Rußlands zu finden.Mit Erleichterung haben daher der realpolitische Flügel und "Regierungslinke" wie Fraktionssprecherin Kerstin Müller und Umweltminister Trittin den Erfolg des von Fischer initiierten Außenministertreffens der sieben wichtigsten Industriestaaten und Rußlands (G 8) registriert.Es stützt ihre Argumentation, daß eine grüne Regierungsbeteiligung in Deutschland zentral für eine friedliche Lösung sei.

Man ist jedoch übereingekommen, die Koalitionsfrage nicht in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen.Fischer tritt als amtierender Friedenspolitiker auf, nicht als "Oberrealo", der seine Partei drängt, gar mit Rücktritt droht.Deshalb hat er sich Interview-Enthaltsamkeit auferlegt; auch der Plan eines offenen Briefes an die Partei wurde fallen gelassen.Auf der anderen Seite greift die Parteispitze zu ungewohnten Mitteln.Erstmals außerhalb eines Wahlkampfes hat sie eine Umfrage in Auftrag gegeben.Der Infratest-Studie zufolge unterstützt eine 95prozentige Mehrheit der potentiellen grünen Wählerschaft die Politik Fischers.

In der "Antragslage" zum Parteitag spiegelt sich dieses Stimmung jedoch nicht wider.Die Mehrheit der 54 Beschlußvorlagen ist für einen sofortigen, zum Teil nicht einmal befristeten Bomben-Stopp; ganz radikale fordern die Befürworter der Nato-Politik, also auch Fischer, zur Rückgabe ihrer Bundestagsmandate auf.Das läßt jedoch nicht auf eine entsprechend "feindliche" Delegierten-Mehrheit schließen.Auf den Landesvorstandsitzungen oder -ausschüssen, sowie Landesparteitagen, die in diesen Tagen über Kosovo debattieren und Abgesandte zur Bundesdelegiertenversammlung wählen ergibt sich ein differenziertes Bild.In Nordrhein-Westfalen etwa, dem größten und traditionell linken Landesverband gibt es nur eine höchst knappe Mehrheit gegen den Regierungskurs, im traditionell realpolitisch orientierten Baden-Württemberg eine fast Dreiviertel-Mehrheit dafür.Wenn die Zähler richtig liegen, ist knapp vor dem Parteitag das "Ja" zur kritischen Unterstützung der Regierungslinie knapp in der Minderheit.Daß sie zur Mehrheit wird, gilt in Vorstand und Fraktionsspitze daher als wahrscheinlich.Vor einer Möglichkeit haben die Beteiligten allerdings Angst: Daß pünktlich zum Parteitag Nato-Bomben wieder einen "Kolateralschaden" mit zivilen Opfern anrichten.

THOMAS KRÖTER

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