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Die Präsidenten Komorowski und Wulff vor der Humboldt-Universität. Foto: dpa

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Politik: Komorowski: Die Freiheit kann man nicht bremsen

Polnischer Staatspräsident hält „Berliner Rede“ in der Humboldt-Universität / Wulff dankt Solidarnosc-Helden

Berlin - Wenn Bundespräsident Christian Wulff die erste „Berliner Rede“ seiner Amtszeit nicht selbst hält, sondern einem Gast den Vortritt lässt, dann muss das besondere Gründe haben. Seit der ersten „Berliner Rede“ 1997 von Bundespräsident Roman Herzog gilt diese Ansprache als Anlass, im feierlichen Rahmen die großen gesellschaftlichen Fragen zu thematisieren. Lud auch Herzog seinerzeit dazu ausländische Gäste ein, übernahmen seine Nachfolger Johannes Rau und Horst Köhler selbst das Mikrofon.

Nun also sprach am Freitag Bronislaw Komorowski, der polnische Staatspräsident, im Audimax der Humboldt-Universität. Auf Einladung Wulffs, der Komorowski in seiner Begrüßungsrede einen „hochgeschätzten Kollegen und Freund“ nannte, nahm er Stellung zu Fragen der deutsch-polnischen Beziehung und zur europäischen Einigung.

Das Datum bot Anlass genug für diese Rede. Sowohl Wulff als auch Komorowski erinnerten an den Arbeiteraufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Und am 17. Juni 1991, vor genau 20 Jahren, wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Zeit also, um Bilanz zu ziehen, wie es mit der Umsetzung der Ziele steht, die seinerzeit festgeschrieben wurden.

Komorowski würdigte den Vertrag in seiner Rede als „eines der Fundamente des neuen Europas“. Dabei sei die deutsch-polnische Aussöhnung Grundlage für ein größeres und enger zusammenwachsendes Europa gewesen. Diese Aussöhnung habe aber erst im demokratischen Umfeld vollständig vollzogen werden können. Erst das souveräne Polen und das wiedervereinigte Deutschland hätten ein neues Kapitel in den deutsch-polnischen Beziehungen aufschlagen können.

Am Vormittag hatten Komorowski und Wulff gemeinsam das Denkmal der Solidarnosc am Reichstag besucht und Blumen niedergelegt. In der polnischen Widerstandsbewegung sehe er ein Symbol für eine positive Schicksalsgemeinschaft zwischen Polen und Deutschen, sagte Komorowski. „Die Freiheit ist etwas so Gewaltiges, dass man sie nicht bremsen kann, wenn sie einmal losgelassen wurde“, so Komorowski. Auch Wulff sprach von einem „ Zeichen für die Kraft der Freiheit“ und dankte den „polnischen Helden, die dafür gekämpft haben“.

An die alten Wunden, die der Weltkrieg in das deutsch-polnische Verhältnis geschlagen hatte, erinnere man sich auch heute, sagte Komorowski. Mit Bewunderung sehe er deshalb die Menschen an, die „die Hölle des Krieges“ durchlitten hätten und sich dennoch für Europas Zusammenwachsen und Aussöhnung engagierten.

Der Glaube der Polen in das gemeinsame Europa sei groß, hob Komorowski hervor. Es herrsche trotz aller Probleme ein Euro-Optimismus im Land. Nur wenige Tage vor Beginn der polnischen EU- Ratspräsidentschaft rief der Staatspräsident zur gemeinsamen Überwindung der Eurokrise und anderer Schwierigkeiten auf. „Die Welt wird kein Verständnis haben für unsere Schwächen.“ Als große Herausforderungen bezeichnete Komorowski in diesem Zusammenhang neben der Schuldenkrise der Euroländer auch das „demografische Tief“.

Auch das Thema EU-Erweiterung sprach der Präsident an. An sie müsse der Maßstab gemeinsamer Werte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität gelegt werden. „Europa sollte seine Grenzen festlegen“, forderte Komorowski. Die „zivilisatorische Einheit“ Europas müsse aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus plädierte er für eine gemeinsame Außen- sowie Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Komorowski versprach, Polen werde als Bestandteil der westlichen Welt seinen Beitrag zur Stärkung der EU leisten. „Wir möchten in die Zukunft Europas investieren und wir haben genug Energie, die Probleme zu lösen.“

Aus Anlass des Jahrestages wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag mit mehreren Ministern zu Regierungsgesprächen nach Warschau reisen. Die Regierungen beider Länder werden dann eine gemeinsame Kabinettsitzung abhalten.

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