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Politik: Kompromiss à la Benelux

In der Frage des EU-Ratspräsidenten zeichnet sich eine Lösung ab

Am 20. Juni soll der EU-Verfassungsentwurf den Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden. Fünf Wochen vor dem Gipfel im griechischen Thessaloniki nimmt der Zeitdruck zu und damit auch die Bereitschaft der 105 Mitglieder im EU-Konvent, sich über die Machtverteilung in der größer werdenden Union zu einigen. Dreh- und Angelpunkt in der Debatte ist die Frage, ob es einen ständigen Vorsitzenden im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs geben soll.

Bisher wechselt die Ratspräsidentschaft alle sechs Monate. Bliebe es dabei, wäre nach der Erweiterung jeder Mitgliedstaat alle zwölfeinhalb Jahre an der Reihe. Um die Zusammenarbeit der Regierungschefs effizienter zu gestalten, hat der Konventspräsident Valery Giscard d’Estaing einen zweieinhalb Jahre lang amtierenden Ratspräsidenten vorgeschlagen, der von den Mitgliedstaaten gewählt werden soll. Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien unterstützen diesen Vorschlag, EU-Kommission und die kleineren Staaten sind dagegen. Sie fürchten, ein solcher Ratspräsident würde eine uneingeschränkte Herrschaft der großen Staaten bedeuten. Vertreter von 16 kleinen und mittleren Staaten stellten sich in einem Brief an Giscard d’Estaing strikt gegen einen EU-Präsidenten.

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer ist dennoch optimistisch, einen Kompromiss zu finden. Als Königsweg erscheint die strenge Begrenzung der Aufgaben des ständigen Ratspräsidenten. Die EU-Kommission und der künftige europäische Außenminister dürften nicht an Macht und Bedeutung verlieren, ist seine Forderung. Die Benelux-Staaten Belgien, die Niederlande und Luxemburg sollen bei der Suche nach einem Kompromiss die Brücke zwischen großen und kleinen Mitgliedern bilden. Sie haben Lösungsvorschläge für zwei weitere strittige Punkte gemacht: Der Kommissionspräsident soll fünfzehn stimmberechtigte Kommissare und fünfzehn Juniorkommissare benennen, einen aus jedem Mitgliedstaat. Das Stimmrecht soll regelmäßig rotieren. Hinsichtlich des ständigen Ratsvorsitzenden zeigte sich ihr Sprecher, der ehemalige Kommissionspräsident Jacques Santer, kompromissbereit. Angesichts der Unterstützung der fünf Großen für den ständigen Ratsvorsitzenden müssen sich die kleineren Staaten wohl damit abfinden, dass er nicht verhindert werden kann. Sie können im Gegenzug lediglich versuchen, möglichst viel an Detailinteressen durchzusetzen. Zu diesem Zweck schaltet sich auch Kommissionspräsident Prodi jetzt stärker in die Arbeit der Kompromisssuche ein.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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