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Zufriedene Gesichter. Irans Außenminister Mohammed Sarif (Mitte links) und sein französischer Amtskollege Laurent Fabius (Mitte rechts) freuen sich in Genf über die Einigung im Atomstreit. Der Übereinkunft war eine jahrelange Konfrontation zwischen dem Westen und dem Gottesstaat vorangegangen. Foto: Fabrice Coffrini/AFP

© AFP

Politik: Kompromiss im Morgengrauen

Der Iran legt Teile seines Nuklearprogramms auf Eis – der Westen lockert dafür seine Sanktionen Eingefrorene Vermögen in Milliardenhöhe sollen aber weitgehend gesperrt bleiben.

Der Durchbruch kommt, als allen fast schon die Augen zufallen. Es ist zwei Uhr am Sonntagmorgen, fröhliche Partygäste aus der Karaoke-Bar ziehen an übermüdeten Journalisten in der Lobby des Genfer Hotels Intercontinental vorbei, da macht plötzlich ein Gerücht die Runde: Nach jahrelangem Ringen um das iranische Atomprogramm hat sich die Islamische Republik mit den UN-Vetomächten und Deutschland auf ein Übergangsabkommen geeinigt. Müde, ausgelaugt, aber zufrieden präsentierte sich denn auch EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, als sie am Sonntag im Genfer Völkerbundpalast vor die Medien trat, um der Welt den geschichtsträchtigen Deal zu verkünden.

Im Kern sieht der Kompromiss so aus: Der Iran muss wesentliche Elemente seines Nuklearprogramms stoppen und in einigen Teilen sogar zurückfahren. Der Westen lockert dafür Sanktionen gegen den Gottesstaat. Auch US-Präsident Barack Obama, der über die fünftägigen Verhandlungen laufend unterrichtet wurde, gab sich erleichtert: Das Übereinkommen werde helfen, dass sich der Iran nicht nuklear bewaffnen könne, sagte er in Washington. Man habe „Irans wahrscheinlichsten Weg zu der Bombe abgeschnitten“, erklärt der US-Präsident.

Irans Außenminister Dschawad Sarif erklärte mit gewohnt freundlichem Gestus, das Übereinkommen werde eine „unnötige Krise verhindern“. Bundesaußenminister Westerwelle richtete den Blick in die Zukunft. Westerwelle betonte: „Entscheidend sind eine transparente, überprüfbare Umsetzung der Vereinbarungen und eine zügige Fortsetzung der Verhandlungen mit Blick auf eine abschließende Lösung.“

In der Tat markiert die Genfer Einigung einen ersten, aber sehr großen Schritt in Richtung eines Gesamtvertrages des Irans mit der sogenannten Sechsergruppe . Dieser noch abzuschließende Gesamtvertrag zwischen USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland soll die Nuklearkrise völlig entschärfen. Und er soll dem Iran endgültig die Möglichkeit nehmen, sich ein Atomwaffenarsenal anzulegen.

Das Genfer Übereinkommen gilt zunächst für sechs Monate und soll so schnell wie möglich in Kraft treten. Laut der US-Regierung geht der Iran eine Reihe von Verpflichtungen ein: Das Land wird Uran nicht mehr über fünf Prozent anreichern und die Vorkehrungen für eine Anreicherung entfernen. Die Bestände an Uran, die auf etwa 20 Prozent angereichert sind, muss der Iran abbauen beziehungsweise „neutralisieren“. Uran, das niedrig, etwa fünf Prozent, angereichert ist, dient zivilen Zwecken. Uran, das zu 20 Prozent angereichert ist, kann mit relativ geringem Aufwand weiter angereichert werden, so dass es für den Bau von Atombomben verwendbar ist.

Weiter verpflichtet sich der Iran, keine zusätzlichen Zentrifugen zur Urananreicherung zu installieren und keine zusätzlichen Einrichtungen zur Anreicherung zu konstruieren. Ebenso darf der Iran seine Aktivitäten rund um den Schwerwasserreaktor in Arak nicht vorantreiben. Einmal voll in Betrieb, könnte Arak Plutonium liefern. Dieses kann als Alternative zu hoch angereichertem Uran für den Bau von Atombomben verwendet werden.

Der Iran gewährt der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA umfangreiche Rechte: IAEA-Inspekteure dürfen etwa täglich die Atomanlagen in Natanz und Fordow kontrollieren. Auch die Anlage in Arak soll durch die IAEA besser überwacht werden. Eine gemeinsame Kommission der Iraner und der Sechsergruppe soll für die IAEA-Inspektionen zuständig sein.

Im Gegenzug zu den Zugeständnissen lockert der Westen gemäß der US-Regierung einige Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Und man verpflichtet sich, innerhalb der sechs Monate keine neuen Strafen zu verhängen. Konkret will man etwa die Sanktionen für petrochemische Produkte und im Goldhandel aussetzen. Insgesamt umfassen die Erleichterungen in den sechs Monaten etwa sieben Milliarden US-Dollar, die dem Iran zugutekommen können.

Allerdings: Das Übereinkommen berühre nicht die „große Mehrzahl der Sanktionen, die in Kraft sind“, betonte US-Außenminister John Kerry. So bleiben laut Washington die meisten der etwa 100 Milliarden US-Dollar an gesperrten Vermögenswerten für das Mullah-Regime außer Reichweite. Der Westen verhängte die Sanktionen als Reaktion auf das Atomprogramm.

Falls der Iran seinen Genfer Verpflichtungen nicht nachkommt, dann sollen die suspendierten Sanktionen sofort wieder verhängt werden. Und neue Strafen könnten auch folgen, betonte Kerry.

Jan Dirk Herbermann

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