zum Hauptinhalt
Auch am dritten Tag des neuerlichen Gaza-Konflikts bombardierte die israelische Luftwaffe wieder Ziele im Gaza-Streifen.

© dapd

Update

Konflikt in Nahost: Merkel und Obama stärken Israel den Rücken

Im Gaza-Konflikt schenken sich beide Seiten nichts. Israel zerbombt die Regierungszentrale in Gaza-Stadt. Die Hamas schwört Rache und greift den dritten Tag in Folge Tel Aviv an. Unterstützung erhält Israel aus Berlin und Washington.

Mit gezielten Angriffen auf Regierungsgebäude der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas hat Israels Luftwaffe am Samstag ihre Offensive im Gazastreifen fortgesetzt. Attackierte Israels Luftwaffe bisher mit Raketen und Bomben hauptsächlich am Tag, so griff sie in der Nacht zum Samstag mit bisher unbekannter Wucht an: Kampfflugzeuge, Drohnen und Helikopter attackierten mehr als 200 Ziele während der Dunkelheit. Sie zerstörten dabei nicht nur 120 Raketenabschussgeräte und mehr als 20 Waffenschmuggeltunnels. Vielmehr weiteten sie ihre Angriffe auf wichtigste Machtzentren des islamistischen Hamas-Regimes aus. Fünf Raketen machten das Hauptquartier von Ministerpräsident Ismail Hanija dem Erdboden gleich. Ebenfalls zerstört wurden das Innenministerium und das Polizei-Hauptquartier. Insgesamt hätten die Angriffe 85 „Terrorzielen“ gegolten, darunter Werkstätten zum Bau von Raketen, teilte die israelische Armee mit.

Nach Angaben des israelischen Rundfunks wurden in der Nacht zum Samstag etwa 180 Luftangriffe geflogen. Der Armee zufolge gab es seit dem Beginn von Israels Offensive mehr als 830 Angriffe auf den Gazastreifen. Radikale Palästinensergruppen hätten seither mehr als 610 Raketen abgefeuert, von denen mehr als 230 abgefangen worden seien, sagte eine israelische Militärsprecherin.

Bei den Angriffen wurden im Gazastreifen am Samstag laut palästinensischen Rettungskräften mindestens acht Palästinenser getötet. Die israelische Armee berichtete von vier leicht verletzten Soldaten. Seit Mittwoch wurden nach Angaben beider Seiten 40 Palästinenser und drei Israelis getötet.

Am Donnerstag und Freitag hatten Raketen erstmals die Großräume von Tel Aviv und Jerusalem erreicht. Die israelische Regierung leitete daraufhin die Mobilisierung von bis zu 75 000 Reservisten ein und intensivierte damit die Vorbereitungen für eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen.

Auf palästinensischer Seite nehmen die Falschmeldungen derweil rasant zu – ein sicheres Zeichen für die Verunsicherung. Übertriebene Opferzahlen, Falschangaben über den Abschuss eines Kampfjets und über einen geglückten Angriff auf die Knesset in Jerusalem sind dabei am einfachsten zu widerlegen, diejenigen über die Identität der eigenen Opfer – ob wirklich unschuldige Zivilisten oder als solche verkleidete Kämpfer – werden erst nach Ende der Kämpfe überprüft werden können. Auch die demonstrative Exekution eines angeblichen Kollaborateurs mit Israel auf offener Straße in Gaza deutet darauf hin, dass die Führung verunsichert ist und Druck auf die eigene Bevölkerung ausüben muss.

Die radikalislamische Hamas hat 22 ausländischen Journalisten und Mitgliedern von Hilfsorganisationen die Ausreise aus dem Gazastreifen verweigert. Das sagte einer der in der Enklave festsitzenden Journalisten am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Das Hamas-Innenministerium habe zur Begründung angegeben, Israel schließe den Erez-Kontrollpunkt im Norden des Gazastreifens am Schabbat. Israel betonte jedoch, der Übergang sei wegen des Konflikts für Personen auch am Samstag geöffnet.

Bis zum Nachmittag feuerte die Hamas 76 Raketen Richtung Israel ab. Zuvor hatte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri in einer Mitteilung mit Vergeltung gedroht: „Wir schwören Rache für Tod und Schrecken, die die Besatzer über unsere Menschen bringen.“ Israel werde einen hohen Preis für seine Verbrechen zu zahlen haben.

Geteiltes internationales Echo auf Gaza-Konflikt

US-Präsident Barack Obama telefonierte mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dem ägyptischen Staatschef Mohammed Mursi, um nach Wegen zu suchen, die Lage zu entschärfen, wie das Weiße Haus mitteilte. Nach den Worten eines hochrangigen Sicherheitsberaters von Obama habe Israel die Entscheidung über eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen selbst in der Hand. „Wir wollen dasselbe wie die Israelis“, sagte Ben Rhodes während eines Flugs nach Asien zu Journalisten. „Und das ist ein Ende des Raketenbeschusses aus Gaza.“

Aus seiner Sicht seien die andauernden Raketenangriffe aus den Palästinensergebieten ausschlaggebender Faktor für die Zuspitzung des Konflikts gewesen - nicht die gezielte Tötung des Militärchefs der Hamas im Gazastreifen, Ahmed al-Dschabari. „Wir glauben, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen und seine eigenen Entscheidungen über diesbezügliche Taktiken zu treffen.“

Am Samstag schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Konflikt ein. In einem Telefon mit Israels Premier Benjamin Netanjahu betonte die Kanzlerin das Recht Israels auf Selbstverteidigung und die Pflicht zum Schutz der israelischen Bevölkerung, wie der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter mitteilte. „Sie war sich mit dem Premierminister einig, dass schnellstmöglich ein vollständiger Waffenstillstand erreicht werden müsse, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden“, hieß es weiter.

Merkel telefonierte auch mit dem ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi. Ihn ermunterte sie den Angaben zufolge, „seine wichtige Vermittlerrolle weiter auszuüben und die palästinensischen Gruppen zu einer umgehenden Einstellung der Angriffe auf Israel zu bewegen“. Am Samstag hatte Mursi zudem in Kairo in getrennten Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem Emir von Katar Möglichkeiten zur Beendigung des Konflikts erörtert. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief alle Seiten zu „Besonnenheit und Mäßigung“ auf. In einem Telefonat mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil El-Arabi, nannte der FDP-Politiker die Eskalation der Gewalt in Nahost äußerst besorgniserregend und eine zusätzliche Gefahr für die Stabilität der gesamten Region.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, sieht die Hauptverantwortung für die Gewalt nicht bei der Hamas. Verantwortlich seien die „extremistischen fundamentalistischen Gruppierungen“, die sich einen Machtkampf im Gazastreifen lieferten, sagte der Präsident der israelischen Gesellschaft für Außenpolitik am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Die Hamas und Ägypten hätten kein Interesse an einem Krieg. Auch Israels Bevölkerung habe Angst vor Raketenbeschuss.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan warf Israel vor, die Waffenruhe gebrochen und den Konflikt provoziert zu haben. Der tunesische Außenminister Rafik Abdesslem verurteilte bei einem Solidaritätsbesuch im Gazastreifen die israelischen Angriffe auf das Palästinensergebiet als völkerrechtswidrig. „Was Israel tut, ist illegitim und überhaupt nicht hinnehmbar“, sagte Abdesslem am Samstag. Die iranische Regierung forderte eine Vergeltungsaktion gegen Israel. Die „Verbrechen der zionistischen Regierung“ könnten nur durch „eine revolutionäre Vergeltungsmaßnahme der muslimischen Welt“ beendet werden, sagte Verteidigungsminister Ahmed Wahidi laut amtlicher Nachrichtenagentur Irna. (mit dpa/rtr/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false