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Ein syrisches Flüchtlingsmädchen steht vor Zelten des Roten Halbmondes in der türkischen Provinz Hatay.

© Reuters

Konflikt in Syrien: Ankara schließt eine Militärintervention nicht mehr aus

Hunderte Syrer fliehen täglich über die Grenze in die Türkei. Präsident Gül wendet sich nur noch gegen eine Einmischung "von außerhalb der Region".

In der Türkei deutet sich ein Kurswechsel in der Syrienpolitik an. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge steigt derzeit wieder stark an, und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan fordert die Einrichtung humanitärer Korridore im Nachbarland. Außerdem schließt Ankara eine Intervention nicht mehr aus. Am Wochenende will die Regierung mit dem UN-Sondergesandten Kofi Annan sprechen, der vor seiner Reise nach Damaskus nachdrücklich vor einer Militärintervention gewarnt und damit Kritik der syrischen Opposition auf sich gezogen hatte.

Besonders die Sorge über einen Massenansturm von Syrern über die rund 900 Kilometer lange Grenze sowie die Ergebnislosigkeit der diplomatischen Bemühungen beeinflussen in der Türkei die Debatte über eine mögliche Militärintervention. Russland lehnte am Freitag erneut eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zu Syrien ab, weil der vorliegende Entwurf nicht ausgewogen sei. China, das mit Russland kürzlich im Sicherheitsrat eine Syrien-Entschließung per Veto blockierte, schickt einen Sondergesandten zur Arabischen Liga in Ägypten sowie nach Saudi-Arabien und Frankreich, um seine Haltung zu erläutern.

Die syrische Opposition betrachtet die diplomatischen Bemühungen als Zeitverschwendung. Annans Absage an eine Militärintervention sei „enttäuschend“, sagte Burhan Ghalioun, der Chef des syrischen Nationalen Übergangsrats. Die Forderung Annans nach einem Dialog mit der Regierung lehnte der Oppositionschef ab. Dies sei sinnlos und unrealistisch, sagte Ghalioun. Nach Angaben von Aktivisten wurden am Freitag in Syrien 54 Menschen getötet. Mehrere Angehörige der syrischen Streitkräfte, darunter drei Offiziere, desertierten in die Türkei. Das Regime zog nach Berichten der Opposition starke Truppenverbände in Idlib nahe der Grenze zur Türkei zusammen.

Auf der türkischen Seite der Grenze werden derzeit rund 12 000 Syrer in Flüchtlingslagern in der Provinz Hatay versorgt. Seit einigen Wochen kommen täglich etwa hundert bis zweihundert Menschen dazu. Um für einen größeren Ansturm gerüstet zu sein, lässt Ankara in Kilis, rund 150 Kilometer östlich von Hatay, eine Container-Siedlung für mindestens 10 000 Menschen bauen. Unter den Flüchtlingen aus Syrien sind wieder hochrangige Deserteure der syrischen Streitkräfte, bestätigte ein türkischer Diplomat dem Tagesspiegel. Nach einer Meldung des türkischen Staatsfernsehens kamen zuletzt zwei syrische Generäle und ein Oberst über die Grenze.

Beim nächsten Treffen der „Freunde Syriens“ Ende März in Istanbul soll erneut über Wege zur Beendigung des Konflikts gesprochen werden. Die Türkei bemüht sich darum, diesmal auch Russland und China einzubinden. Viel Hoffnung hat die Regierung in Ankara aber nicht. Auch deshalb weicht ihr bisheriges Nein zu einer Intervention in Syrien auf. Staatspräsident Abdullah Gül sagte jetzt, die Türkei sei gegen eine Einmischung „von außerhalb der Region“. Außenminister Ahmet Davutoglu betonte, „im Moment“ setze die Türkei auf Diplomatie. „Doch wenn es um unsere nationale Sicherheit geht, werden alle möglichen Vorbereitungen getroffen.“ Erst vor wenigen Tagen sprachen Davutoglu und Erdogan mit der Regierung von Katar, die den Einsatz einer arabischen Friedenstruppe in Syrien fordert.

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