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Hoffen auf Eintracht: Zwei junge Frauen, in die spanische Nationalflagge (rechts) sowie die katalanische Flagge "Estelada" gehüllt

© dpa/AP/Emilio Morenatti

Konflikt um Kataloniens Unabhängigkeit: Was hilft gegen dogmatische Sturheit?

Wie Stiere gehen die Regierungschefs von Spanien und Katalonien aufeinander los. Eine Versöhnung zwischen Madrid und Barcelona ist nicht in Sicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es ist leider keine Operettenkomödie, die in diesen Tagen im Südwesten Europas aufgeführt wird. Es ist weder Operette noch Komödie, sondern vielleicht bald eine Tragödie, denn im Machtspiel zwischen Madrid und Barcelona wird es am Ende keine Versöhnung auf offener Bühne geben.

Die zwei Hauptdarsteller, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, haben das Ende ihrer dramatischen Inszenierung nicht bedacht. Beide sind Hasardeure. Beide tun so, als wüssten sie nicht ganz genau, dass in Spanien vielleicht in wenigen Tagen Menschen sterben werden, weil der Zentralstaat den Monopolanspruch auf die Repräsentanz des Staates gegen eine aufbegehrende Region nicht mehr anders glaubt durchsetzen zu können.

Und seit Felipe VI. in seiner Rede als verbaler Exekutor des Machtanspruchs der Zentralgewalt auftrat, ist auch die Hoffnung auf den königlichen Vermittler gesunken.

Aus Gründen der Staatsräson kann die Regierung in Madrid das Unabhängigkeitsstreben der Katalanen nicht widerspruchslos hinnehmen. Der konservative Regierungschef Rajoy hat den Konflikt aus innerparteilichem Profilierungsstreben eskalieren lassen. Dabei hätte es Ansatzpunkte für eine konsensuale Lösung gegeben.

Die Mehrheit der Katalanen war nie für die Loslösung von Spanien, ist es vermutlich auch nach der jüngsten Abstimmung trotz der brutalen Auftritte der Guardia Civil immer noch nicht. Mehr als die Hälfte von ihnen ging überhaupt nicht zur Wahl. Eine Autonomie wie für das Baskenland hätte der Eskalation der Worte den Boden entzogen. Und finanzielle Erleichterungen. Das aber wollte Madrid nicht zugestehen.

Es ist die alte dogmatische Sturheit von zentralistischen Regierungen, die sich hier wieder in ihrer ganzen bornierten Uneinsichtigkeit gezeigt hat. Im Protest der Menschen in ganz Europa gegen eine immer unübersichtlicher erscheinende globalisierte Welt ist der Rückzug auf die Heimat, auf die Region, ein völlig normaler Reflex des Selbstschutzes. Wenn Menschen das Gefühl haben, nicht mehr eigenständig zu leben, sondern gelebt zu werden, suchen sie Wärme im Überschaubaren. Auch das ist in Europa nicht neu. Die Bretonen haben ihren wichtigen Freiraum gegen Paris durchgesetzt, die französische Mittelmeerregion kämpft noch heute darum, in Spanien haben die Basken ihre Autonomie ertrotzt.

Deutschland kann nicht vermitteln

Das alles ist wie in Katalonien so nachvollziehbar, dass der Widerstand dagegen kurzsichtig, autoritär und vor-aufklärerisch wirkt. Wenn wir das Prinzip der Subsidiarität, der Graswurzeldemokratie und der Abkehr von der Machtballung an der Staatsspitze für zukunftsträchtig halten, müssen wir die Folgen ertragen – sie heißen weniger und nicht mehr Staat.

Die Frage bleibt, wer in Spanien nun vermitteln kann. Deutschland sicher nicht. Die letzte deutsche Einmischung in Spanien besorgte 1937 die „Legion Condor“, Picassos Gemälde Guernica hat diese Schandtat für die Ewigkeit festgehalten. Die Niederlande, Großbritannien und Frankreich scheiden aus anderen historischen Gründen aus. Die Europäische Union, auch wenn sie sich zurecht jetzt für nicht zuständig erklärt, könnte dennoch den runden Tisch aufstellen, um den sich die Beteiligten versammeln.

Das Gemälde als Zeichen?

Und dann bleibt vielleicht doch noch der König, der am Dienstag so schroff wirkte. Wenn das spanische Hofzeremoniell seine Detailbesessenheit bei allem, was der Monarch tut, bewahrt hat, dann hielt Felipe VI. seine Rede nicht aus Versehen vor einem Gemälde des spanischen Hofmalers Anton Raphael Mengs von König Karl III. Der regierte Spanien von 1759 bis 1788, der heutige König hat ihn als ein Vorbild bezeichnet. Karl III. war ein aufgeklärter Herrscher, der sein Land reformierte, das Bürgertum stärkte und die Macht der katholischen Kirche beschränkte. Unter ihm erlebte Spanien großen wirtschaftlichen Aufschwung.

Wir werden erfahren, ob das Gemälde hinter Felipe als Signal zu deuten ist.

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