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Politik: Kongo – der erste Fall für Den Haag?

Chefankläger prüft Prozess wegen Völkermord / Gericht liegen 499 Anzeigen vor, die meisten aus Deutschland

DAS WELTGERICHT TAGT

Den Haag. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, Luis Moreno Ocampo, will möglicherweise Verantwortliche für Kriegsverbrechen in der Demokratischen Republik Kongo anklagen. Rebellengruppen, die von den Regierungen in Kongo und in Uganda unterstützt werden, haben nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen in den vergangenen Monaten in der nordkongolesischen Provinz Ituri tausende Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft vergewaltigt, dabei oft mit Aids angesteckt, gefoltert, ermordet und zum Teil sogar Kannibalismus an ihnen verübt.

Moreno Ocampo sagte am Mittwoch bei seiner ersten Pressekonferenz in Den Haag, sein Büro werde die Ereignisse in Ituri genau verfolgen. Um Anklage erheben zu können, muss sich Ocampo nach dem ICC-Statut vergewissern, dass die Justiz der betreffenden Länder selbst ihren Pflichten zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nicht nachgekommen ist oder nachkommen kann. Dies ist nach Berichten von Amnesty International und Human Rights Watch insbesondere in Uganda der Fall.

Ocampo kündigte an, er werde auch prüfen, ob Ermittlungen wegen Geldwäsche und illegalem Handel mit Rohstoffen möglich seien, die von den Vereinten Nationen mit einem Embargo belegt worden sind. Diese Vergehen stünden oft in einem direkten Zusammenhang mit den Kämpfen in Zentralafrika. Betroffen wären von den Ermittlungen unter Umständen auch europäische Länder wie Belgien, Großbritannien und die Niederlande, in denen solche Rohstoffe wie Diamanten und Coltan gehandelt werden.

Der frühere argentinische Bürgerrechtler und Anwalt Moreno Ocampo gab auch bekannt, dass inzwischen 499 Anzeigen von Organisationen oder Einzelpersonen beim ICC eingegangen sind, in denen auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen wird. Mit 93 eingereichten Anzeigen stammt die Mehrzahl aus Deutschland, gefolgt von den USA mit rund 70 Anzeigen, deren Regierung das Tribunal pikanterweise gar nicht anerkennt, und aus Frankreich.

Besonders der Irak-Krieg habe im März zu einer regelrechten Anzeigenflut geführt, sagte der Chefankläger. Doch der Krieg im Irak könne vom ICC nicht verfolgt werden, da weder der Irak noch die USA das ICC-Statut ratifiziert haben und das Führen eines Angriffskrieges zwar im Statut als Verbrechen aufgeführt wird, von den Unterzeichnerstaaten des ICC aber bisher noch nicht definiert worden ist. In über 50 Fällen der eingegangenen Anzeigen kann der Gerichtshof auch deshalb nicht tätig werden, weil sie sich auf Verbrechen beziehen, die vor dem 1. Juli 2002, dem Tag des Inkrafttretens des Statuts, geschehen sind. Die Jurisdiktion des Gerichts beginnt erst ab diesem Datum.

Keine Jurisdiktion hat der ICC auch für die Ereignisse in Elfenbeinküste, da das Land das Statut nicht ratifiziert hat. Nach Medienberichten aber soll die Regierung von Elfenbeinküste selbst den UN-Sicherheitsrat ersucht haben, die Morde von Soldaten an Zivilisten untersuchen zu lassen. Der Sicherheitsrat kann dem Gericht auch Fälle aus Ländern anvertrauen, die nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehören. Bisher sei aber keine solche Mitteilung bei ihm eingegangen, so Moreno-Ocampo.

Klaus Bachmann

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