zum Hauptinhalt

Konjunktur: Briten senken Mehrwertsteuer

Als erstes großes EU-Land hat Großbritannien die Mehrwertsteuer gesenkt - zu einem hohen Preis. Denn allein damit sind Kosten von über Milliarden Euro verbunden. Für den Finanzminister gibt es allerdings keine Alternative dazu.

Im Kampf gegen die Finanzkrise senkt Großbritannien als erstes großes Land in Europa die Mehrwertsteuer und nimmt damit eine Rekordverschuldung in Kauf. Die Verbrauchssteuer wird im Rahmen eines Konjunkturprogrammes von Dezember an für 13 Monate von 17,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt, erläuterte Finanzminister Alistair Darling am Montag vor dem Unterhaus in London. Insgesamt beläuft sich das als "historisch" bezeichnete Rettungsprogramm auf 20 Milliarden Pfund (23,7 Milliarden Euro). Allein die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Waren und etwa Restaurantrechnungen kostet den Staat 12,5 Milliarden Pfund. Gleichzeitig soll aber eine "Reichensteuer" eingeführt werden.

Die Staatsverschuldung werde sich in diesem Finanzjahr auf 78 Milliarden Pfund verdoppeln, sagte Darling. Im kommenden Jahr wächst sie demnach sogar auf 118 Milliarden Pfund. Das seien acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es seien "außerordentliche Zeiten", die die Maßnahmen rechtfertigten, sagte der Schatzkanzler bei der Vorstellung des Zwischen-Haushaltes.

Die "Steuergeschenke" - unter anderem für ärmere Bürger - will Darling auch über eine Erhöhung der Abgaben auf Alkohol, Tabak und Benzin finanzieren. Darling kündigte für April 2011 außerdem einen neuen Höchststeuersatz von 45 Prozent für Einkommen von über 150.000 Pfund pro Jahr an.

Wachstumserwartungen nach unten korrigiert

Die Regierung korrigierte die Wachstumsraten deutlich nach unten. Für das kommende Jahr erwartet sie nun, dass die Wirtschaft zwischen 0,75 und 1,25 Prozent schrumpft, was eine Rezession bedeutet. Im März ging Darling noch von einem Wachstum von 2,5 Prozent aus. "Wenn wir nichts tun würden, hätten wir eine tiefere und längere Rezession, die das Land auf lange Sicht mehr kosten würde", sagte Darling. Erst bis zum Jahr 2015/2016 erwartet er wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Die konservative Opposition kritisierte, das Land würde "an den Rand des Bankrotts" gebracht.

Im Sommer hatte die EU wegen des zu hohen Staatsdefizits ein Verfahren gegen das Königreich eingeleitet. Laut EU-Vorgaben darf dieses nicht höher als drei Prozent sein. Eine Strafe droht den Briten allerdings nicht, weil sie den Euro nicht eingeführt haben. Großbritannien hat die weltweite Finanzkrise besonders hart getroffen, da der Immobilienmarkt stark überhitzt ist und das Land stark vom Bankensektor abhängig ist. Die Senkung der Mehrwertsteuer kurz vor Weihnachten sahen Kommentatoren auch als Mittel an, mit dem Premierminister Gordon Brown wieder Bonuspunkte beim Volk sammeln will. Die Briten müssen spätestens 2010 wählen. (mhz/dpa)

Zur Startseite