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Konjunktur: Deutschland vor tiefster Krise seit 1945

Bundesbank: Die Wirtschaft schrumpft 2009 um ein Prozent – jetzt will die Europäische Union gegensteuern.

Berlin - Deutschland könnte 2009 in die tiefste Rezession seit Gründung der Bundesrepublik stürzen. Der Deutschen Bundesbank zufolge wird die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen. Auf diesen Wert werde die Notenbank ihre Prognose in Kürze senken, wie Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) im Haushaltsausschuss des Bundestages Teilnehmern zufolge sagte. Die EU arbeitet derweil an ihrem Konjunkturprogramm über 130 Milliarden Euro, das sie kommende Woche vorstellen will.

Die Bundesbank hatte bereits am Donnerstag mitgeteilt, 2009 würden die negativen Folgen der Finanzmarktkrise und der realwirtschaftlichen Eintrübung „in ihrer ganzen Tragweite sichtbar“. Eine konkrete Zahl hatten die Banker aber vermieden. Den bislang stärksten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes hatte es 1975 gegeben, damals lag das Minus bei 0,9 Prozent. Die Bundesregierung wolle aber an ihrer Prognose von 0,2 Prozent für das kommende Jahr festhalten, hieß es im Wirtschaftsministerium. Am Donnerstag hatte bereits der Rat der Wirtschaftsweisen seine Prognose auf minus 0,2 Prozent abgesenkt – sie waren bislang von einer Stagnation ausgegangen. „Normalerweise ist eine Rezession nach zwei Quartalen beendet“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dieser Zeitung. „Dieses Mal haben wir es aber mit einer besonders tiefen Krise zu tun – erst Mitte nächsten Jahres werden die Minuszeichen verschwinden“, befand er. Bereits im Frühjahrs- und im Sommervierteljahr war die Leistung der Wirtschaft deutlich gesunken.

Auch Daten vom Freitag deuten darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft vor großen Problemen steht. Eine Umfrage unter hunderten Einkaufsmanagern der Industrie brachte im November so schlechte Ergebnisse wie seit dem Beginn der Befragung 1996 nicht. Der entsprechende Index sank von 42,9 auf 36,7 Zähler, erst ein Wert ab 50 Punkten signalisiert Wachstum. Eine entsprechende Umfrage im Dienstleistungsbereich ergab Ähnliches. Auch in anderen Länder der Euro-Zone erreichten die Indizes neue Tiefstände.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sind sich derweil einig, dass nationale Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur den Vorrang haben sollen. „Hier gibt es eine große Übereinstimmung mit der Kommission“, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg nach einem Telefonat Merkels mit Barroso. Die Kommission will am kommenden Mittwoch ihre Pläne vorstellen.

Zuvor hatte es zwischen Berlin und Brüssel Irritationen gegeben, weil der Eindruck entstanden war, dass die EU-Kommission für ein Konjunkturprogramm zusätzliche Milliarden auch aus Deutschland verlangen könnte. Steg bekräftigte, dass die Regierung zur Stärkung der Konjunktur bereits Maßnahmen für 32 Milliarden Euro beschlossen habe. Deutschland habe die Erwartungen übererfüllt. Er verwies auf die Senkung des Arbeitslosenbeitrags und höhere Familienleistungen.

Indes setzt Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy bei seinen Plänen für eine Wiederbelebung der Konjunktur in der EU vor allem auf Berlin. Der EU-Ratspräsident kündigte an, er wolle die Krise mit den europäischen Partnern angehen – dabei nannte er Deutschland. Paris erwartet von Berlin einen möglichst großen Beitrag zum Konjunkturprogramm. Um das Thema wird es bei einem Treffen zwischen Sarkozy und Merkel am Montag in Paris gehen.

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