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Konjunktur

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Konjunktur: Konjunkturmaßnahmen gibt es viele - was ist von ihnen zu halten?

Steuersenkungen, Konsumgutscheine, Mehrwertsteuer: Beinahe jeden Tag werden neue Ideen für Maßnahmen genannt, die in ein zweites Konjunkturpaket kommen sollten. Aber was davon ist wirklich sinnvoll?

Von Antje Sirleschtov

Anfang Januar will die große Koalition über ein zweites Konjunkturpaket beraten, mit dem einer Rezession im kommenden Jahr entgegengewirkt werden kann. „Alle Optionen sind auf dem Tisch und bleiben es auch“, sagte der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Thomas Steg, zu dem wochenlangen Streit der Politiker und Experten über die richtigen Maßnahmen, die in ein solches Paket gehören. Bereits an diesem Dienstag werden die Spitzen der Staats- und Senatskanzleien der Bundesländer mit dem Chef des Bundeskanzleramtes, Thomas de Maizière (CDU), zusammen kommen, um Details zu debattieren. Der Tagesspiegel prüft, wie sinnvoll die bisherigen Vorschläge sind, welche Chance auf Umsetzung sie haben und was sie kosten.

Staatspflichtanleihen

Der Vorschlag stammt vom SPD-Spitzenkandidaten in Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, und seine Chance auf Umsetzung lässt sich am Kommentar von Steg ablesen. Er sagte, es habe schon seine Gründe, weshalb in Berlin ein solcher Vorschlag noch nicht unterbreitet worden sei. Schäfer-Gümbel will alle Besitzer von Eigentum größer als 750 000 Euro (auch Immobilieneigentum) verpflichten, dem Staat eine Zwangsanleihe (einen Kredit also) von zwei Prozent des Eigentums für 15 Jahre mit 2,5-prozentiger Verzinsung zu geben.

Investitionen in Infrastruktur und Bildung

Bereits im ersten Konjunktur paket hat die Bundesregierung den Investitionsetat des Bundes für 2009 und 2010 um gut zwei Milliarden Euro aufgestockt. Damit sollen in erster Linie Autobahnen und Bundesstraßen ausgebaut werden. Weil solche Großvorhaben oft einen langen Planungsvorlauf haben, ist ein kurzfristiger Wachstumseffekt der erweiterten Investitionsmittel des Bundes begrenzt. Deshalb sollen die Kommunen mehr Geld bekommen, damit dort rasch in Infrastruktur, Schulen, Kitas und Turnhallen investiert werden kann. „100 000 Euro für jede Schule“ hat etwa Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) als Ziel vorgegeben, und der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will Ende Januar einen „Pakt mit den Kommunen“ schließen. Ein zweites Konjunkturpaket wird mit Sicherheit einen Investitionsanteil umfassen, der wahrscheinlich bei mehr als fünf Milliarden Euro liegen wird.

Sport

Der Bundesvorsitzende der Senioren- Union der CDU, Otto Wulff, hat vorgeschlagen, Krankenversicherten, die sich gesundheitsbewusst verhalten, einen oder zwei Monatsbeiträge ihrer Krankenversicherung zu erstatten. „Wer Mitglied eines Sportvereins ist und die regelmäßige Teilnahme an sportlichen Aktivitäten nachweisen kann, zum Beispiel durch die Erlangung des Sportabzeichens, der sollte die Beitragserstattung beantragen können,“ fordert Wulff. Sportliche Betätigung diene der Konjunktur, so argumentierte er, weil die Bürger gesünder seien und somit die Krankenkassen finanziell weniger belasteten. Die Kosten der Maßnahme hat der Chef der Senioren-Union nicht berechnet, und auch die Resonanz innerhalb der Koalition war nicht zu messen.

Anhebung von Hartz IV

Weil im linken politischen Spektrum die Sorge groß ist, dass die Rezession besonders ärmere Bevölkerungsschichten trifft, reichen die Wünsche von einer Anhebung der Hartz-IV- Sätze (Linke) bis zu einer zusätzlichen Monatszahlung für Bedürftige (Ministerpräsident Kurt Beck, SPD). Die Neigung der großen Koalition zur Anhebung der Sozialtransfers ist gering, da die Kosten hoch und die Nebeneffekte unüberschaubar sind. Allein die Zahlung eines 13. Hartz-IV-Satzes würde die Arbeitsanreize der Niedrigverdiener senken und damit negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.

Steuersenkungen

Vor allem die CSU dringt auf eine Entlastung der Steuerzahler. Die CSU will den Eingangssteuersatz von gut 7600 Euro auf 8000 Euro anheben und die Steuerprogressionskurve abflachen, so dass Steuerzahler mit mittleren Einkommen nicht so rasch hohe Steuern zahlen müssen. Kostenpunkt: mindestens zehn Milliarden Euro. Die SPD lehnt Steuersenkungen ab. Das sei ineffektiv, teuer und nur wirksam für hohe Einkommen. Die Begründung der Sozialdemokraten ist prinzipiell richtig, lässt jedoch außer Acht, dass Alleinerziehende bereits ab 15 000 Euro Jahreseinkommen (rund 1000 Euro brutto im Monat), steuerpflichtig sind. Auch ihnen kämen Steuersenkungen zugute. Richtig ist: Steuersenkungen wirken zunächst nur psychologisch – man freut sich über die politische Entscheidung. Wirksam werden sie erst 12 bis 15 Monate danach bei der Jahressteuererklärung.

Aussetzen des Solidaritätszuschlages

Diese Idee kommt von der FDP und kann unter dem Vorschlag Steuersenkungen eingruppiert werden. Der Zuschlag wird als eine Steuer behandelt, bei der nur noch der Name an den einstigen Verwendungszweck, den Aufbau Ostdeutschlands, er innert. Die Umsetzungswahrscheinlichkeit ist gering, die Kosten sind hoch. Allein die Senkung des Beitrages von 5,5 Prozent auf 3,3 Prozent würde vier Milliarden Euro kosten.

Verschrottungsprämie

Der Grundgedanke dabei ist, den Verbrauchern zusätzliche Gründe zum Austausch ihres Fahrzeuges zu verschaffen. Eine Verschrottungsprämie, die noch dazu verschmutzungsabhängig gestaffelt sein könnte, wird deshalb innerhalb der Koalition erwogen. Das Ziel ist, die alten „Stinker“ rasch aus dem Straßenverkehr zu bringen und den Absatz der Autoindustrie anzukurbeln. Realisierungswahrscheinlichkeit: hoch. Kosten: rund 1000 Euro pro Fahrzeug.

Senkung der Sozialbeiträge

Wenn es um die Entlastung der Arbeitnehmer geht, setzt die SPD auf die Senkung der Sozialbeiträge – speziell auf die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Anfang Januar tritt der Gesundheitsfonds mit seinem Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent in Kraft. Für viele gesetzlich Krankenversicherte bedeutet das eine Beitragssteigerung. Ziel ist es nun, dem Gesundheitsfonds, aus dem den Krankenkassen die Kosten für die Versorgung der Versicherten bezahlt werden, einen höheren Steuerzuschuss zu überweisen und damit den Einheitsbeitrag zu senken. Die SPD präferiert eine Senkung des „Sonderbeitrages“ der Arbeitnehmer von 0,9 Prozentpunkten. In der Union wird über eine paritätische Entlastung der Versicherten und der Arbeitgeber nachgedacht. Die Maßnahme hat hohe Chancen auf Umsetzung, weil sie auch Rentner und Geringverdiener entlastet. Kosten: rund zehn Milliarden Euro.

Mehrwertsteuersenkung

Anfang 2007 hat die große Koalition den Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 Prozent erhöht, um den Bundeshaushalt zu konsolidieren. Politiker der FDP und Union haben vorgeschlagen, zeitlich begrenzt diesen Schritt rückgängig zu machen. Einen Mehrwertsteuerpunkt zu senken, würde im Jahr rund acht Milliarden Euro kosten. Zum Effekt sagen Experten: so gering, dass er kaum messbar ist. Das gilt auch für die Umsetzungswahrscheinlichkeit.

Konsumgutscheine

Der Vorschlag kommt vom linken Flügel der SPD, findet aber auch in anderen Parteien Zuspruch. Die Wünsche reichen von 500 Euro für Erwachsene und 250 Euro für Kinder und variieren von „freier Verfügbarkeit“, über „Kaufanreiz für ökologisch sinnvolle Güter“ bis hin zum beschränkten Einsatz für diejenigen, die bereit sind, den Gutschein mit „eigenen“ Mitteln aufzustocken. Vor dem Hintergrund einer bislang noch hohen Konsumneigung der Bevölkerung wird der Gutschein als wenig sinnvoll angesehen. Kosten: rund 15 Milliarden Euro. Umsetzung eher unwahrscheinlich.

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