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Politik: Konkurrenz für Karsai

Von Elke Windisch, Moskau Der afghanische Interimspremier Hamid Karsai glaubte sich schon kurz nach Beginn der Loya Dschirga, der Großen Ratsversammlung, am Ziel seiner Wünsche: Er glaubte sich durch Beifall der rund 1500 Delegierten per Akklamation zum Staatsoberhaupt erklärt. Dass sogar ein Berufsdiplomat, der westliche Demokratie aus eigener Anschauung kennt – Karsai hat in Neu-Delhi internationale Beziehungen studiert und einige Jahre in den USA gelebt –, offenbar Schwierigkeiten mit demokratischer Willensbildung hat, lässt ahnen, wie hart am Hindukusch vor und hinter den Kulissen um Macht und Pfründe gekämpft wird.

Von Elke Windisch, Moskau

Der afghanische Interimspremier Hamid Karsai glaubte sich schon kurz nach Beginn der Loya Dschirga, der Großen Ratsversammlung, am Ziel seiner Wünsche: Er glaubte sich durch Beifall der rund 1500 Delegierten per Akklamation zum Staatsoberhaupt erklärt. Dass sogar ein Berufsdiplomat, der westliche Demokratie aus eigener Anschauung kennt – Karsai hat in Neu-Delhi internationale Beziehungen studiert und einige Jahre in den USA gelebt –, offenbar Schwierigkeiten mit demokratischer Willensbildung hat, lässt ahnen, wie hart am Hindukusch vor und hinter den Kulissen um Macht und Pfründe gekämpft wird.

Immerhin soll die Loya Dschirga die Weichen für die definitive Rückkehr des von fast dreißig Jahren Krieg, Bürgerkrieg und Wirren gebeutelten Landes in die Weltgemeinschaft stellen. Dazu soll sie einen Interimsstaatschef und eine Übergangsregierung wählen, die bis zu freien Parlamentswahlen unter internationaler Kontrolle im Jahre 2004 amtieren.

Am Mittwochmorgen waren jedoch zunächst Kandidaten vorgeschlagen worden, die den Vorsitz der Dschirga selbst übernehmen sollen und damit auch die Wortmeldungen der Delegierten steuern. Als aussichtsreichste Bewerber gelten der Chef des Vorbereitungskomitees, Mohammed Ismail Kasimjar, und Milizenführer Abdul Rasul Sajaf, ein Paschtune, dem beste Kontakte zu den Taliban und zu Expremier Gulbuddin Hekmatyar nachgesagt werden. Doch diese Abstimmung verzögerte sich am Mittwoch. Erst danach sollte der Präsident gewählt werden. Trotz Karsais Fauxpas gilt der Paschtunenführer mit dem Seidenumhang als aussichtsreichster Bewerber um das Amt des Präsidenten. Seine einzig ernst zunehmenden Rivalen – Ex-König Sahir Schah und Mudschahedin-Präsident Burhanuddin Rabbani – hatten schon am Dienstag auf ihre Kandidatur verzichtet. Dafür sollen sie entsprechend abgefunden werden: Rabbani, auf den Moskau setzt, mit einem hohen Amt, und der Ex-Monarch mit Privilegien, wie sie sonst nur gekrönten Häuptern zustehen. Auf Vorschlag Karsais verlieh ihm die Dschirga den Ehrentitel „Vater der Nation“.

In letzter Minute bekam Karsai dann aber doch noch Konkurrenz: Die Kabuler Ärztin Massuda Dschalal bewarb sich in der Loya Dschirga überraschend für das Präsidentenamt. Zwar hat die 35-jährige Mitarbeiterin beim Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) keinerlei Chancen gegenüber Karsai. Doch allein die Tatsache, dass sich eine Frau politisch so weit vorwagt, gilt als Sensation in Afghan Dschalal selbst sieht ihre Kandidatur als Test: „Ich hoffe, die weiblichen Delegierten werden mich unterstützen, da ich eine neue Seite in der Geschichte der afghanischen Politik aufschlage.“

Unterdessen gerieten deutsche Soldaten der internationalen Schutztruppe (Isaf) mit Leibwächtern eines Delegierten aneinander. Die Bundeswehrsoldaten nahmen vier zum Teil bewaffnete Bodyguards von Wali Massud fest, dem Bruder des ermordeten Nordallianz-Führers Achmed Schah Massud, und übergaben sie der Polizei, wie ein afghanischer Militärsprecher mitteilte. Ein Augenzeuge bezeichnete die Situation als „sehr kritisch“. Ein Sprecher des Verteidigungsministerium in Berlin sprach dagegen von einem „routinemäßigen Vorfall“, wie er „immer wieder vorkomme“.

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