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Politik: Konservativer Premier Balcerowicz droht mit seinem Rücktritt

Der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski hat die vom Parlament in Warschau beschlossene Einkommensteuerreform zu Fall gebracht. Wie Kwasniewski am Sonntag im polnischen Fernsehen erklärte, verweigerte er seine Unterschrift unter das Gesetz, weil es "gegen den Verfassungsgrundsatz der sozialen Gerechtigkeit" verstoße.

Der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski hat die vom Parlament in Warschau beschlossene Einkommensteuerreform zu Fall gebracht. Wie Kwasniewski am Sonntag im polnischen Fernsehen erklärte, verweigerte er seine Unterschrift unter das Gesetz, weil es "gegen den Verfassungsgrundsatz der sozialen Gerechtigkeit" verstoße. Der Autor des Steuerpakets - Vizepremier und Finanzminister Leszek Balcerowicz - hatte zuvor für den Fall eines Scheiterns der Reform mit Rücktritt gedroht. Die Reform sah vor, die Steuersätze von derzeit 19, 30 und 40 Prozent im Jahr 2000 auf 19, 29 und 36 Prozent, im Jahr 2001 auf 19, 28 und 35 Prozent und schließlich im Jahr 2002 auf nur noch zwei Sätze von 18 und 28 Prozent zu reduzieren. Zugleich sollten zahlreiche Steuererleichterungen und Abschreibemöglichkeiten abgeschafft werden. Damit wollte Balcerowicz die Konkurrenzfähigkeit des Landes steigern, das Wirtschaftswachstum sichern und die Steuermoral heben.

Die Konzeption des Vizepremiers und Vorsitzenden der Freiheitsunion (UW) hatte jedoch auch bei der regierenden konservativen "Wahlaktion Solidarnosc" (AWS) Widerstände geweckt. Erst als Balcerowicz für den Fall des Scheiterns mit Rücktritt drohte und der Finanzmarkt mit einer starken Abwertung des Zloty reagierte, gab die AWS nach und stimmte dem Paket zu. Die wochenlange Auseinandersetzung um die Einzelheiten hatte jedoch zu einem Termindruck im Parlament geführt, der die Einhaltung der vorgesehenen Fristen für die Gesetzesänderung nahezu unmöglich machte. Darüber hinaus versuchte die sozialdemokratische Opposition, die Reform durch Hunderte von Änderungsanträgen zu sabotieren. Die Regierungskoalition reagierte ihrerseits mit formalen Tricks am Rande der Legalität, um die Antragsflut zu Fall zu bringen.

Diese Vorgeschichte nutzte Kwasniewski, um sein Veto zu begründen: Solche Praktiken seien für die Demokratie gefährlich, sie könnten zu einem "Verfaulen des Parlamentarismus und zu einem Missbrauch der Mehrheitskräfte" führen. Die Prozedur im Parlament sei für ihn der Hauptgrund gewesen, die Einkommensteuerreform abzulehnen, erklärte der Präsident nach langen Beratungen mit der sozialdemokratischen Opposition. Als weiteres Argument für sein Veto führte er an, dass nur die Steuersätze der Reichen herabgesetzt würden, was "nicht für alle nachvollziehbar" sei, zumal die von der Reform Begünstigten in der Regel auch keine Arbeitsplätze schüfen. Daher verstünde er "die Zweifel, ob die geplanten Änderungen nicht gegen den Verfassungsgrundsatz der sozialen Gerechtigkeit verstoßen". Der Präsident unterschrieb jedoch denjenigen Teil des Reformpakets, der die Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen betrifft.

Das Veto des Präsidenten wurde von der Regierungskoalition als Vorgriff auf den im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlkampf interpretiert. Nun spekuliert man in Warschau über die Reaktion von Balcerowicz, der sich zunächst zum Veto nicht äußern wollte.

Edith Heller

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