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Die Flaggen der Türkei und der EU in Istanbul.

© dpa

Kooperation soll überprüft werden: Medienbericht: Türkischer Geheimdienst hat 6000 Spitzel in Deutschland

Christian Ströbele spricht von "unglaubliche geheimen Aktivitäten" des türkischen Geheimdienstes MIT. Von bis zu 6000 Mitarbeitern in Deutschland ist die Rede.

Die Grünen haben den Einsatz türkischer Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland scharf kritisiert. Es sei für Europa und Deutschland nicht hinnehmbar, wenn Geheimdienst-Agenten autokratischer Regierungen in Deutschland versuchten, Einfluss auf Politik und öffentliche Diskussionen zu nehmen, sagte Grünen-Vizefraktionschef Konstantin von Notz dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (Montagsausgaben). "Desinformation, illegitime Einflussnahme und die Unterwanderung gesellschaftlicher Institutionen sind altbekannte Phänomene, aber heute aktueller denn je", sagte von Notz.

Das Vorgehen der türkische Regierung zeige, dass sie Angst vor offenen Diskussionen habe. Der Grünen-Politiker kritisierte, dass sich Deutschland und Europa durch das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei in eine schwere Lage gebracht hätten: "Dass die Bundesregierung trotz einer so agierenden türkischen Regierung sich von dieser in der Flüchtlingskrise massiv abhängig gemacht hat, ist ein schwerer Fehler, für den man lange bezahlen wird."

Der türkische Geheimdienst MIT unterhält nach einem Medienbericht in Deutschland ein Informanten-Netz mit Tausenden Mitarbeitern. Über 6000 Spitzel würden den MIT mit Angaben über die türkische Gemeinde versorgen, zitierte die "Welt am Sonntag" einen namentlich nicht genannten Sicherheitspolitiker. Es gebe "unglaubliche geheime Aktivitäten" des MIT, sagte auch der für Geheimdienste zuständige Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Der "Spiegel" berichtete, der MIT habe die deutschen Kollegen vom Bundesnachrichtendienst (BND) aufgefordert, gegen Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vorzugehen.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere warnte: "Viele Maßnahmen Ankaras nach dem Putsch sind unverhältnismäßig, der Umgang mit Menschenrechten ist oft nicht in Ordnung." Die türkische Regierung hält den in den USA lebenden Prediger Gülen für den Drahtzieher des versuchten Militärputsches am 15. Juli. Präsident Recep Tayyip Erdogan geht von einem Gülen ergebenen Netzwerk aus und hat weitreichende "Säuberungen" angekündigt. Zehntausende Militärs und Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen wurden bislang verhaftet oder entlassen.

Kontrollgremium soll sich mit Geheimdiensten befassen

"Die Aktivitäten des türkischen Geheimdiensts MIT wurden in Deutschland immer geduldet. Hier geht es längst nicht mehr um nachrichtendienstliche Aufklärung, sondern zunehmend um nachrichtendienstliche Repression", sagte Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom der WamS. Ströbele kündigte in dem Blatt an: "Ich werde gleich nach den Ferien im Kontrollgremium das Thema 'Arbeit des türkischen Geheimdienstes in Deutschland' auf die Tagesordnung setzen." Verfassungsschutz, BND und Polizei müssten dringend ihre Kooperation mit der Türkei überprüfen. Ströbele ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist.

Auch der Vorsitzende des Gremiums, Clemens Binninger (CDU), verlangt Auskunft über die bilaterale Zusammenarbeit der Dienste: "Die jüngsten Ereignisse in der Türkei haben nicht nur Auswirkungen auf die Sicherheitslage sondern möglicherweise auch auf die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste."

Der "Spiegel" berichtete, der MIT habe den BND aufgefordert, auf Entscheidungsträger und Gesetzgeber einzuwirken, damit Anhänger des Geistlichen ausgeliefert würden. Der BND selbst teilte lediglich mit, über "operative Aspekte" werde ausschließlich der Bundesregierung und dem Bundestag Auskunft gegeben.

Weiter berichtete das Magazin, bislang seien 40 offizielle Fahndungs- und drei Auslieferungsersuchen an die Bundesregierung geschickt worden. "Erdogan versucht, Einfluss auf die Menschen in Deutschland zu nehmen", sagte auch Innenminister de Maiziere der "Bild am Sonntag". Es müsse zwar akzeptiert werden, wenn der türkische Präsident in Deutschland Reden vor Anhängern halte. "Aber klar ist: Die deutsche Regierung trägt die Verantwortung für alle Menschen hier, auch für die türkischen Staatsbürger." (AFP, rtr)

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