zum Hauptinhalt

Politik: Kopf-an-Kopf-Rennen des konservativen Joaquin Lavin und der Mitte-Links-Koalition um Ricardo Lagos

Santiago de Chile, Sonntag spätnachts, der Wahlleiter aus dem Innenministerium, Guillermo Pickering, gibt die Ergebnisse von 99,3 Prozent der ausgezählten Stimmen aus 29 410 Wahllokalen bekannt: auf Ricardo Lagos, den Kandidaten der regierenden Mitte-Links-Koalition, entfallen 47,96 Prozent, auf Joaquin Lavin, den Pinochet-Bewunderer, 47,52 Prozent der Stimmen. Auf die vier Kandidaten der übrigen Parteien entfallen zusammen nicht einmal fünf Prozent.

Santiago de Chile, Sonntag spätnachts, der Wahlleiter aus dem Innenministerium, Guillermo Pickering, gibt die Ergebnisse von 99,3 Prozent der ausgezählten Stimmen aus 29 410 Wahllokalen bekannt: auf Ricardo Lagos, den Kandidaten der regierenden Mitte-Links-Koalition, entfallen 47,96 Prozent, auf Joaquin Lavin, den Pinochet-Bewunderer, 47,52 Prozent der Stimmen. Auf die vier Kandidaten der übrigen Parteien entfallen zusammen nicht einmal fünf Prozent. Da weder Lagos noch Lavin die absolute Mehrheit errangen, wird eine Stichwahl am 16. Januar entscheiden.

Die Rechte geht in dieser Nacht triumphierend auf die Straße. Lavin, der 46-jährige Manager mit dem Diplom der University of Chicago, Ex-Bürgermeister des Reichen-Viertels Las Condes in Santiago de Chile, zwingt den "Kanalarbeiter", den 61-jährigen Ricardo Lagos, den Kandidaten der regierenden Mitte-Links-Koalition, in die Knie - so viel Zuspruch hat die politische Rechte, die früher gerade mal auf ein Drittel der Stimmen kam, zuvor nie gewonnen.

Nur 31 000 Stimmen trennen Lavin von Lagos; im Großraum Santiago de Chile und von Valparaiso, den beiden wichtigsten Städten, liegt er sogar vorne. Nicht ausgeschlossen, dass Lavin in der Stichwahl am 16. Januar noch vor Lagos liegt. Die Militärs setzen auf ihn, die jungen Wähler wohl auch, die Armen vielleicht - sie haben in zehn Jahren Demokratie weniger profitiert als die Unternehmer. Doch die Unternehmer haben Lavin mit Millionen überschüttet. Ihnen ist der smarte "Chicago-Boy" mit messerscharfen neoliberalen ökonomischen Ansichten lieber als der geläuterte Alt-Sozialist Ricardo Lagos. Und für den knochenkonservativen Klerus in Chile ist ein Mann wie Ricardo Lagos, geschieden und wiederverheiratet, untragbar. Lavin hingegen gehört zum "Opus Dei". Er ist ein Garant dafür, dass in Chile eine Scheidung nie anerkannt wird - auch wenn 41 Prozent aller Neugeborenen mit dem Makel "Bastard" auf die Welt kommen, weil sie "illegitimen" Beziehungen entstammen.

Joaquin Lavin, der Manager aus reichem Hause, der im Wahlkampf publikumswirksam in den Hütten der Armen tafelte, hat es geschafft, erfolgreich auf der Klaviatur der realen Nöte vieler Chilenen zu spielen. Denn die Bilanz der Mitte-Links-Koalition ist nicht so berauschend. Sein Versprechen, eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist ein Wahlkampfmärchen. Welchen Wechsel also steuert er an? Mit Joaquin Lavin könnte Chile seiner dunklen Vergangenheit entfliehen. Hatte er nicht gesagt, General Pinochet, dessen Wirken er so bewundere, sei eine Sache der Vergangenheit? Mit Joaquin Lavin wird es eine "Vergangenheitsbewältigung" nicht mehr geben.

Carl D. Goerdeler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false