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Politik: Kopf-an-Kopf-Rennen in der Ukraine

Wie erwartet ist die Wende bei den Parlamentswahlen in der Ukraine ausgeblieben. Die Opposition konnte Zugewinne verbuchen, klagt aber über Wahlverfälschungen: Nach den ersten Auszählungen scheinen die Präsident Leonid Kutschma nahestehenden Parteien eine Mehrheit im Parlament behauptet zu haben.

Wie erwartet ist die Wende bei den Parlamentswahlen in der Ukraine ausgeblieben. Die Opposition konnte Zugewinne verbuchen, klagt aber über Wahlverfälschungen: Nach den ersten Auszählungen scheinen die Präsident Leonid Kutschma nahestehenden Parteien eine Mehrheit im Parlament behauptet zu haben. Zwar fühlte sich am Wahlabend zunächst der Oppositionschef als alleiniger Wahlsieger. "Wir können sagen, dass wir gewonnen haben", reagierte Ex-Premier Viktor Juschtschenko auf die Veröffentlichung der ersten Prognosen nach Schließung der Wahllokale am Ostersonntag. Laut den Wählerbefragungen unabhängiger Meinungsforscherinstitute schien sein bürgerliches Wahlbündnis "Unsere Ukraine" mit über einem Viertel der Stimmen zunächst deutlich vor den Kommunisten zu führen. Doch die ersten offiziellen Ergebnisse am Ostermontag ergaben ein ganz anderes Bild. Nach Auszählung der Hälfte der Stimmen liefern sich sein Block und die Kommunisten mit jeweils rund 20 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

"Wer zählt ist wichtiger, als wer wählt", zitierte Juschtschenko am Montag bitter eine Weisheit des Sowjet-Diktators Josef Stalin. Tatsächlich hatte sich über Nacht auch die Anhängerschar des von Präsident Leonid Kutschma unterstützten Blocks "Für eine vereinte Ukraine" wundersam vermehrt. Das Wahlbündnis, das bei den Umfragen am Vorabend noch bei sieben Prozent gedümpelt hatte, lag am Montag bei rund 14 Prozent.

Den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde ist indes den oppositionellen Sozialisten (8 Prozent), der Liste der früheren Wirtschaftsministerin Timoschenko (6 Prozent) und der Oligarchenpartei SDUP (6 Prozent) geglückt. Der Parlamentseinzug ist hingegen mehreren von Kutschma initiierten Themenparteien wie Grüne oder Frauenlisten verwehrt geblieben. Das offizielle Endergebnis wird erst am 15. April vorliegen. Oppositionschef Juschtschenko kündigte am Montag an, die Ergebnisse in Wahlkreisen mit besonders auffälligen Unterschieden zu den eigenen Erhebungen vor Gericht anzufechten. Die Erfolgsaussichten gelten indes als gering: Kutschma wird vermutlich mit Hilfe seines eigenen Blocks, der SDUP und den Kommunisten im künftigen Parlament auf eine Mehrheit zählen können.

Nur 65 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten sich an dem Urnengang, der bereits im Vorfeld von gewalttätigen Zwischenfällen, der Ermordung zweier Kandidaten und Vorwürfen der Wählermanipulation überschattet wurden. Die Opposition klagte über Behinderungen ihres Wahlkampfs durch die Behörden und den begrenzten Zugang zu den Medien. Wahlbeobachter konstatierten gegenüber früheren Wahlen zwar Fortschritte, bemängelten aber, dass die Wahlkommissionen fast ausschließlich von Vertretern der regierungsnahen Parteien geleitet wurden. Am Wahltag selbst habe sie "keine offensichtliche Wahlfälschung" festgestellt, berichtete die deutsche Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter.

Thomas Roser

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