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Signalwirkung erhofft. Nach den Erfahrungen des Türkischen Bundes werden Kopftuchträgerinnen häufig diskriminiert – auch am Arbeitsplatz.

© dpa

Kopf hoch mit Kopftuch: Junge Muslima klagt erfolgreich gegen Kopftuchverbot

Zum womöglich ersten Mal hat ein deutsches Gericht ein Kopftuchverbot als rechtswidrig erachtet. Eine Muslima wegen ihres Kopftuches nicht einzustellen sei Diskriminierung, urteilte das Arbeitsgericht Berlin.

Zum womöglich ersten Mal hat ein deutsches Gericht ein Kopftuchverbot als rechtswidrig erachtet. In einem erst jetzt bekannt gewordenen Urteil hat das Arbeitsgericht Berlin im März einer jungen Berlinerin Recht gegeben, die sich um eine Ausbildungsstelle als Zahnarzthelferin beworben hatte und nur ihres Kopftuchs wegen nicht eingestellt wurde. Damit habe der Zahnarzt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, befand das Gericht, die Frau sei wegen ihrer Religion diskriminiert worden. Das Kopftuch sei nämlich kein beliebiges Kleidungsstück, sondern „Ausdruck der eigenen Religiosität gegenüber der Umwelt“, sein Tragen sei „Akt der Religionsausübung“. Dass es auch gläubige Musliminnen gebe, die kein Kopftuch trügen, ändere daran nichts.

Die junge Muslima hatte sich im Sommer vergangenen Jahres auf eine Stellenausschreibung der Spandauer Zahnarztpraxis beworben. Dort hatte man ihr deutlich gemacht, dass man sie für überaus qualifiziert hielt – sie hat die Hochschulreife – und sie auch gut ins Team passen würde. Aber ihr Kopftuch müsse sie ablegen. Das lehnte sie ab – und entschloss sich, nachdem sie sich um Hilfe an den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg gewandt hatte, schließlich zur Klage.

Im Prozess berief sich die Zahnarzt- Praxis darauf, dass man ein Recht auf religiöse Neutralität habe. Das ließ der Arbeitsrichter jedoch nicht gelten: „Eine Zahnarztpraxis ist keine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft.“ In früheren Kopftuchfällen, die vor Gericht gelandet waren, hatten die Klägerinnen deswegen keine Chancen gehabt, weil es sich um kirchliche oder kirchennahe Arbeitgeber gehandelt habe. Im Fall des Zahnarztes aber, heißt es in der Urteilsbegründung, komme diese Art der Privilegierung „nicht in Betracht“. Auch Gesundheitsgefahren gingen von einem Kopftuch nicht aus, es sei „nicht in stärkerem Maße ein Träger von Gesundheitsgefahren – etwa von Erregern oder Schmutz – als das menschliche Haupthaar“.

Das "menschliche Grundübel", der Fremdenhass, beeinflusst die Debatte leider mit.

Die Anwältin der abgewiesenen Auszubildenden ist mit dem Urteil hoch zufrieden – und macht auf einen größeren Zusammenhang aufmerksam: Der beklagte Zahnarzt habe den Vorwurf der Klägerin „ohne Weiteres eingestanden“, er habe es anscheinend völlig normal gefunden, mit religiöser Neutralität auch in einer Arztpraxis zu argumentieren“, sagte Maryam Haschemi Yekani dem Tagesspiegel. Da hätten die Kopftuchgesetze der Länder, die die Verhüllung in der Schule oder anderswo im öffentlichen Dienst verböten, wohl eine Art „Fernwirkung“ gehabt. Das Urteil mache nun völlig klar, dass dieses Argument außerhalb des öffentlichen Dienstes bestenfalls in religiösen Einrichtungen ziehe.

Ein einzelnes Urteil bisher, aber kein Einzelfall: „Dass Frauen wegen ihres Kopftuchs diskriminiert werden, das erfahren wir leider sehr häufig in unserer Beratungspraxis“, sagt Eva Maria Andrades vom Antidiskriminierungsnetzwerk des TBB. „Aber oft ist die Beweislage schwierig oder die Frauen wagen eine Klage nicht, weil sie noch mehr Schwierigkeiten fürchten. Wir hoffen, dass dieses Urteil nun Signalwirkung hat und mehr Frauen ermutigen wird, sich zu wehren.“

Signalwirkung erhofft. Nach den Erfahrungen des Türkischen Bundes werden Kopftuchträgerinnen häufig diskriminiert – auch am Arbeitsplatz. Foto: Jochen Zick/Keystone
Signalwirkung erhofft. Nach den Erfahrungen des Türkischen Bundes werden Kopftuchträgerinnen häufig diskriminiert – auch am Arbeitsplatz. Foto: Jochen Zick/Keystone

© Jochen Zick / Keystone

Ermutigend könnten auch die Worte des Richters in der Urteilsbegründung wirken: Das AGG solle im Kern einem „menschlichen Grundübel“ entgegenwirken, dem Fremdenhass – wozu sich der mehrheitlich rot-grüne Gesetzgeber leider nie bekannt habe. Xenophobie, diesen Hass gegen Fremdes, gebe es aber „auch im progressiven Gewande“. „Die Frau mit Kopftuch gilt als unemanzipiert und rückständig. Dabei ist sie in Wahrheit nicht verkehrt, sondern nur anders. Und Mensch, unter dem Schutz der Gesetze.“

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