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Schatten in Politik und Wirtschaft: Gegen Korruption könnte Deutschland noch mehr tun, findet die EU-Kommission.

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Korruption in Deutschland und Europa: Jedes Jahr 120 Milliarden Euro Schaden

Zum ersten Mal legt die EU-Kommission einen Korruptionsbericht vor. Deutschland bekommt zwar insgesamt ein recht gutes Zeugnis. Es werden aber auch Defizite benannt.

Die Kommission fordert eine klare Regelung für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft. Zudem gibt es Bedenken bei der Wahlkampffinanzierung und der Wirksamkeit der Regeln gegen Abgeordnetenbestechung. "Was die Korruptionsbekämpfung betrifft, gehört Deutschland zu den besten Ländern der EU", sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, die den Bericht vorlegte.

Insgesamt betrifft das Thema Korruption alle EU-Mitgliedstaaten und kostet die EU-Wirtschaft jedes Jahr rund 120 Milliarden Euro. Sowohl Art und Umfang der Korruption als auch die Wirksamkeit der Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen sei von Land zu Land aber sehr unterschiedlich. "Korruption untergräbt das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen und den Rechtsstaat, schädigt die europäische Wirtschaft und vermindert die dringend benötigten Steuereinnahmen", erklärte Malmström.

"Drehtür-Effekt" vermeiden

Immer wieder wird in Deutschland über eine Karenzzeit für Politiker vor einem Wechsel in die Wirtschaft debattiert. Zuletzt stand dabei Ronald Pofalla (CDU) im Blickpunkt, weil der ehemalige Kanzleramtschef in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln will. Die EU-Kommission mahnte nun an, einen Weg zu finden, diesen "Drehtür-Effekt" zu vermeiden.

Die Kommission beanstandet auch die rechtliche Situation zum Thema Abgeordnetenbestechung in Deutschland. Zwar hat die Bundesrepublik die Anti-Korruptions-Konvention der Vereinten Nationen im Jahr 2003 unterschrieben, ratifiziert ist das ganze bis heute nicht. Dafür müsste es auch schärfere gesetzliche Regelungen geben, denn bisher ist hierzulande nur der Kauf von Stimmen bei Wahlen oder Parlamentsabstimmungen strafbar, alles andere nicht. Bei Beamten sind die Regeln deutlich schärfer gefasst.

Schon mehrfach gab es den Versuch, das Gesetz zu verschärfen, doch in der vergangenen Legislaturperiode blockierten Union und FDP entsprechende Versuche. Dabei war einer der Hauptinitiatoren für eine Gesetzesverschärfung ein Christdemokrat: Siegfried Kauder, der ehemalige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag. Doch Kauder hat sich nicht nur wegen dieser Frage mit seiner Partei überworfen und ist nun kein CDU-Mitglied mehr. Die Kritiker eines Gesetzes befürchten, dass dann schon die Annahme kleinster Gastgeschenke im Wahlkreis beispielsweise ein Problem wären. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte einen eigenen Vorschlag unterbreitet. Er regte an, den Paragrafen 108e im Strafgesetzbuch zu verschärfen. Dieser regelt die Bestechung von Abgeordneten. Lammert wollte den Paragrafen um den Aspekt Vorteilsnahme erweitern. Doch auch er scheiterte. Problematisch ist auch Sicht einiger Rechtsexperten, dass es anders als in Deutschland in der UN-Konvention keine Unterscheidung von Amtsträgern und Mandatsträgern gibt. Abgeordnete sind demnach Mandatsträger und keine Amtsträger. Für Amtsträger gibt es schärfere Regeln. Mandatsträger aber, so die Begründung, können keine Einzelfallentscheidungen treffen, sondern immer nur Gesetze allgemeiner Art beschließen, was sie weniger anfällig für Korruption mache. Allerdings kritisierte auch der Bundesgerichtshof den Paragrafen 108e schon vor Jahren als "praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung".

SPD und Union haben sich im Koalitionsvertrag nun auf die Formel: "Wir werden die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regeln" verständigt. Der Ball liegt bei den Fraktionen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich bereits im Wahlkampf für ein Gesetz ausgesprochen.

Das Thema Karenzzeit wiederum liegt in der Hand der Bundesregierung. Sie soll einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten. Den gibt es aber noch nicht. Schließlich müssen auch einige Fragen abgewogen werden: Welche Form soll die Regelung haben? Eine gesetzliche oder eine Art Selbstverpflichtung? Eine gesetzliche Regelung ist zwar eindeutig, hätte aber auch zur Folge, dass eine Karenzzeit von beispielsweise 18 Monaten für einen Wechsel auch bedeuten würde, dass die entsprechende Person 18 Monate weiter bezahlt werden müsste.

"Dringender Handlungsbedarf"

Christian Lange (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, sieht in dem Bericht einen Beleg dafür, dass es "dringenden Handlungsbedarf" gibt. "Das Parlament sollte wie im Koalitionsvertrag festgehalten, die Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung zügig neu regeln und ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen, damit wir mit Syrien und Nordkorea nicht einer der wenigen Staaten sind, die die Konvention noch nicht ratifiziert haben", sagte Lange dem Tagesspiegel. Auch der von der Kommission kritisierte Mangel an Regeln zur Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen Politik und Wirtschaft sollte seiner Meinung nach rasch angegangen werden. "Nur ist hier aus meiner Sicht eine Selbstverpflichtung von 18 Monaten sinnvoller als ein Gesetz, weil es leichter umzusetzen ist und keine langwierigen und am Ende für den Staat kostspieligen juristische Auseinandersetzungen nach sich zieht", sagte Lange.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, wiederum forderte gesetzliche Regelungen. "Der Anti-Korruptionsbericht der EU zeigt einmal mehr, dass wir dringenden Regelungsbedarf haben, wenn es um die Abgrenzung von Regierungstätigkeit und Lobbyismus geht. Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung zur Karenzzeit", sagte Haßelmann. Die Grüne kritisierte die SPD wegen ihrer vermeintlichen Zögerlichkeit beim Thema Abgeordnetenbestechung. "Das UN-Abkommen gegen Korruption wartet seit zehn Jahren auf seine Ratifizierung, weil die Union sich gegen eine Verschärfung der Regelung zur Abgeordnetenbestechung sperrt. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag enthält nur eine lasche, unverbindliche Formulierung zur Korruptionsbekämpfung. Es ist enttäuschend, wie sich die SPD hier einfach wegduckt."

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