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Korruptionsaffäre: Gericht bringt Licht ins Dunkel

Bittere Niederlage für die sächsische Landesregierung. Ein Gericht ordnet an, dass sie die Akten zum "Sachsen-Sumpf" an den Untersuchungsausschuss herausgeben muss. Erst jetzt kann der Ausschuss seine Arbeit ordentlich machen.

Von Matthias Schlegel

Berlin/Leipzig - Die sächsische Staatsregierung hat vor dem Verfassungsgericht des Landes eine herbe Niederlage erlitten: Sie muss ein Aktenkonvolut von rund 15 600 Seiten, die der sächsische Verfassungsschutz über organisierte Kriminalität und mögliche Verstrickungen von Staatsbediensteten in kriminelle Netzwerke zusammengetragen hatte, an den Landtagsuntersuchungsausschuss herausgeben. Das Leipziger Gericht entschied am Freitag, dass die Regierung mit der Verweigerung der Aktenherausgabe die verfassungsmäßigen Rechte des Ausschusses verletzt habe.

Der im Juli 2007 auf Antrag der Oppositionsfraktionen im Dresdner Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss, hat zwar bereits 17 Mal getagt. Doch weil der komplette Arbeitsgegenstand, nämlich jene umstrittenen Verfassungsschutz-Akten, nicht verfügbar waren, kam er bisher kaum voran und konnte auch keine Zeugen vernehmen. Die seit Frühsommer vergangenen Jahres in den Medien kursierenden Berichte über zweifelhafte Immobiliengeschäfte, Kinderprostitution und Strafvereitlung im Amt, in die allesamt auch Polizisten und Juristen verwickelt gewesen sein sollen, sowie mehrere ungeklärte Todesfälle gingen zurück auf Informationen, die auf unbekannten Wegen aus den Verfassungsschutzakten in die Öffentlichkeit gelangt waren. Weil die CDU die Verfassungsmäßigkeit des daraufhin eingerichteten Untersuchungsausschusses anzweifelte, wurde ihm die Herausgabe der Akten verweigert. Offiziell konnten sie nur von den zur Geheimhaltung verpflichteten Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission eingesehen werden.

Der Gericht stellte nun fest, dass der Untersuchungsausschuss wirksam eingesetzt worden sei, sein Auftrag im öffentlichen Interesse liege und keine unzulässig vorweggenommenen Feststellungen oder Wertungen enthalte. Auch greife der Untersuchungsgegenstand nicht in unzulässiger Weise in den Bereich der Rechtsprechung ein.

In den Anhörungen vor Gericht hatte der Vertreter der Staatsregierung, der Berliner Rechtsanwalt Klaus Finkelnburg, den Untersuchungsauftrag als unzulässige Vorabwertung bezeichnet, weil er behaupte, dass es in Sachsen tatsächlich ein korruptives und kriminelles Netzwerk gebe. Außerdem greife er in laufende Verfahren ein. Martin Morlok, Rechtstheoretiker von der Universität Düsseldorf und Anwalt der Kläger FDP, Bündnis 90 und Linke argumentierte, mit der Weigerung zur Herausgabe der Akten werde eine wirksame Kontrolle der Regierung durch das Parlament verhindert.

Linksfraktionschef Andre Hahn sagte dem Tagesspiegel, die Landesregierung sei mit ihrer Strategie der Blockierung des Ausschusses gescheitert. „Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, jetzt muss alles auf den Tisch“, sagte Hahn. Nun könnten die Akten dem Ausschuss innerhalb von einer oder zwei Wochen zur Verfügung gestellt werden. Dabei werde natürlich auch das Krisenmanagement der Landesregierung politisch zu bewerten sein. Allerdings werde die verbleibende Zeit in der bis 2009 reichenden Legislaturperiode knapp.

Der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Piwarz, begrüßte, „dass jetzt Rechtsklarheit geschaffen worden ist“. Der Untersuchungsausschuss mache nur Sinn, wenn er auch über die Akten verfüge. Das Gericht habe in Teilen Verfahrensverstöße bei der Einsetzung des Ausschusses festgestellt, aber insgesamt für die Aushändigung der Akten entschieden. „Das hat man zu akzeptieren“, sagte er dem Tagesspiegel.

Inwieweit der Umgang der Regierung mit dem „Sachsen-Sumpf“ vom Untersuchungsausschuss thematisiert wird, dürfte auch künftig für Streit sorgen. Das Gericht betonte, dass sich die „Kontrollkompetenz des Parlaments“ nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge erstrecke – nicht also auf das Agieren der Regierung nach den Medienberichten über die vermeintlichen kriminellen Netzwerke.

Externe Prüfer waren Ende 2007 zu dem Schluss gekommen, dass der Verfassungsschutz selbst die Akten aufgebauscht habe. Die sächsische Justiz leitete insgesamt 60 Ermittlungs- und Prüfverfahren ein. Fast alle wurden Ende April 2008 eingestellt. Verstrickungen hoher Beamter in kriminelle Machenschaften seien nicht festgestellt worden, hieß es.

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