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Korruptionsaffäre in der Türkei: Investoren fliehen vor Erdogan

Wegen der Korruptionsaffäre stürzt die türkische Lira auf ein Rekordtief – und beinahe täglich werden neue Details bekannt.

Ankara/Athen - Der Korruptionsskandal in der Türkei erschüttert das zuletzt ohnehin angeschlagene Vertrauen der Finanzmärkte in das aufstrebende Schwellenland. Besonders deutlich zeigte sich dies am Wert der türkischen Lira, die am Freitag im Handel mit dem US-Dollar auf ein Rekordtief rutschte. Am Freitag musste für einen Dollar zeitweise 2,1761 Lira gezahlt werden und damit so viel wie noch nie. Neben der Währung gerieten aber auch türkische Staatsanleihen und der Aktienmarkt des Landes massiv unter Verkaufsdruck, nachdem sich ausländische Investoren teilweise aus dem Markt verabschiedet haben.

„Die jüngsten Meldungen unterminieren die Fassade der Wirtschaftskompetenz der Regierung“, sagte US-Anlagestratege Michael Shaoul von Marketfield Asset Management. Bisher galt Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan als Architekt des Aufschwungs in der Türkei. Ausländische Anleger haben aber nun in der vergangenen Woche und in der Woche davor Bonds im Wert von zwei Milliarden Dollar verkauft. Derzeit sind noch Anleihen im Wert von rund 54 Milliarden Dollar im Besitz von Ausländern – im Mai waren es noch 72 Millionen Dollar. Am Freitag stieg der Zinssatz der Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit um 0,46 Prozent auf 10,27 Prozent. Zuvor hatte die Rendite mit 10,33 Prozent den höchsten Stand seit 2010 erreicht.

Die Investoren reagierten damit auf die täglich neuen Details in der Korruptionsaffäre. Nach den Entlassungen von Polizisten und der Regierungsumbildung erhob am Freitag nun einer der mit den Korruptionsermittlungen befassten Staatsanwälte schwere Vorwürfe. Der Istanbuler Ankläger Muammer Akkas, der am Donnerstag von dem Fall abgezogen worden war, beklagte Druck seiner Vorgesetzten. Man habe ihm „ohne jede Rechtfertigung die Ermittlungen aus den Händen genommen“, erklärte Akkas. Zuvor habe sich die neu eingesetzte Istanbuler Polizeiführung geweigert, von ihm angeordnete Festnahmen vorzunehmen. Dadurch hätten Beschuldigte Gelegenheit bekommen, Beweise zu vernichten. „Alle sollen wissen, dass meine Arbeit als Ankläger behindert wurde“, schreibt Akkas in einer Erklärung. Der Istanbuler Chefankläger Turan Colakkadi sagte, der Fall sei Akkas entzogen worden, weil er Ermittlungsdetails an die Medien gegeben und damit gegen die Dienstvorschriften verstoßen habe.Die Zeitung „Radikal“ hatte am Mittwoch berichtet, Akkas gehe neuen Korruptionsvorwürfen nach, die weit über die bisherigen hinausgingen. Betroffen seien Politiker, hohe Staatsbeamte und einige Künstler. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen fällt jetzt auch der Name von Bilal Erdogan, einem Sohn des Ministerpräsidenten. Wie die oppositionsnahe Zeitung „Cumhuriyet“ berichtete, untersuchen Ermittler seine Rolle als Vorstandsmitglied einer Nichtregierungsorganisation. „Cumhuriyet“ schrieb von einem bevorstehenden politischen „Erdbeben“. Erdogan bleibt dabei, dass es sich bei den Korruptionsvorwürfen um ein „Komplott“ gegen seine Regierung und ihn persönlich handelt.

Inmitten der Korruptionsaffäre blockierte die oberste Justizbehörde die Umsetzung eines umstrittenen Dekrets, mit dem die Regierung ihre Kontrolle über die Polizei ausweiten wollte. Der Staatsrat in Ankara erklärte zur Begründung, die Anwendung des Dekrets könnte „irreparable Schäden“ verursachen, wie die Zeitung „Hürriyet“ am Freitag online berichtete. öhl./dpa/AFP

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