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Korruptionsaffäre in Sachsen: Generalbundesanwältin Harms soll Licht ins Dunkel bringen

Erpressung, Korruption und Kinderprostitution: In Sachsen sind angeblich ranghohe Vertreter aus Justiz, Polizei und Politik in ein kriminelles Netzwerk verstrickt. Jetzt soll Generalbundesanwältin Harms sich der Sache annehmen.

Dresden - Die oberste Bundesanwältin soll sich mit dem vom sächsischen Verfassungsschutz offenbar jahrelang ausgespähten kriminellen Netzwerk befassen. Die Staatsregierung beschloss am Dienstag, dass Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm alle Unterlagen, die er erhält, auch Monika Harms vorzulegen habe, sagte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU). Sie könne dann entscheiden, ob sie die Bearbeitung des Vorgangs auf Landesebene belasse oder an sich ziehe. Es solle nicht der Vorwurf entstehen, dass in Sachsen "durch irgendwelche Mauscheleien etwas vertuscht werden soll".

Angeblich sind ranghohe Politiker, Juristen und Polizisten in ein kriminelles Netzwerk größeren Ausmaßes verstrickt. Berichten zufolge machten sich etwa in Leipzig Amtsträger nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes erpressbar, weil sie Anfang der 90er Jahre in einem Bordell verkehrten, in dem minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen wurden.

Politische Verantwortung bis zum Justizminister?

Zudem erscheint ein Urteil im Zusammenhang mit dem Attentat auf einen Abteilungsleiter der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) im Jahr 1994 als dubios, weil die Richter mit ihren Strafen gegen die Täter deutlich über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinausgingen. Der Publizist Jürgen Roth äußerte den Verdacht, dass "Einfluss auf Urteile genommen worden" sei und deshalb die politische Verantwortung bis zum Justizminister reiche.

Die Recherchen des Verfassungsschutzes sind umstritten, weil er nach der Rechtslage in Sachsen die Organisierte Kriminalität nur dann beobachten darf, wenn diese die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet. Der Landesdatenschutzbeauftragte Andreas Schurig bezweifelt dies für die Fälle und tritt deshalb für die Vernichtung der Akten ein.

Die geheimen Akten sollen nun an den sächsischen Generalstaatsanwalt weitergeleitet werden. In Kopie sollen die Unterlagen zugleich dem Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwältin Monika Harms zur Verfügung gestellt werden. Der Bevölkerung sei "nicht vermittelbar, dass man diese Akten schreddert oder in ein Staatsarchiv gibt", sagte Buttolo.

Kontrollkommission fordert Umbau des Verfassungsschutzes

Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des sächsischen Landtags forderte unterdessen personelle Konsequenzen an der Spitze des Landesamts für Verfassungsschutz. Um eine entsprechende Prüfung wurde Buttolo nach einer Sondersitzung des Gremiums am Dienstagabend gebeten. Buttolo müsse sicherstellen, dass der Verfassungsschutz seiner Informationspflicht gegenüber der PKK künftig "tatsächlich auch frühzeitig und umfassend" Rechnung trage.

Die PKK verwies darauf, dass das Kontrollgremium über "Vorgänge von besonderer Bedeutung" informiert werden müsse. Dies sei in den vorliegenden Fällen unterblieben. Kritisiert wurde ferner, dass in der Vergangenheit "relevante Straftatbestände scheinbar ohne erkennbare Hinderungsgründe nicht an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden übergeben wurden".

Publizist Roth hat nach eigener Darstellung im Innenministerium Akteneinsicht nehmen dürfen. Buttolo schließt zumindest für seine Amtszeit als Innenminister aus, dass Roth eine solche Einsicht gewährt worden sei. Sein Ministerium nannte zudem die vom Grünen-Abgeordneten Johannes Lichdi geäußerte Vermutung absurd, dass er gezielt Informationen streue, um Datenschützer Schurig in Misskredit zu bringen. (tso/ddp)

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