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Kosovo: Balkan-Provinz mit wirtschaftlichen Problemen

Auf die Frage ihrer Zukunft kennen Kosovo-Albaner nur eine Antwort: Sie rechnen damit, dass die seit 1999 von der Uno verwaltete, aber noch zu Serbien gehörende Provinz schon bald die Souveränität erhält.

Pristina - An diesem Optimismus ändert auch das jüngste Referendum in Serbien nichts, in dem sich eine Mehrheit gegen die Abspaltung der Provinz aussprach. Klar ist allerdings schon jetzt, dass auch ein eigenständiges Kosovo ohne langfristige Hilfe von Außen wirtschaftlich nicht überleben könnte. Denn im Vergleich zu anderen Balkanregionen hat der Unabhängigkeits-Aspirant abgesehen von Kohle- und Erzvorräten nicht viel vorzuweisen. Experten halten einen raschen Aufschwung nach Klärung der Statusfrage daher für unwahrscheinlich.

Von 1999 bis 2005 investierte die internationale Gemeinschaft mehr als fünf Milliarden Euro, um in der Region um das Amselfeld Demokratie und Marktwirtschaft aufzubauen. Der Fortschritt zeigt sich seither auch im Warenkorb. Das Angebot in den Supermärkten von Pristina gleicht dem in Westeuropa. Sehr praktisch für Bürger aus den Euro-Ländern: Das europäische Einheitsgeld ist die Währung im Kosovo. Von einem Wirtschaftswunder ist die Provinz, deren Bewohner zu 90 Prozent Albaner, zu sechs Prozent Serben sind, allerdings weit entfernt. Die jährliche Wachstumsrate ist mit drei Prozent zu niedrig, um die schnell wachsende und sehr junge albanische Bevölkerung in ausreichender Zahl in Jobs zu bringen. Die Arbeitslosenrate beträgt nach Schätzung der Weltbank zwischen 23 und 33 Prozent. Laut UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) lebt die Hälfte der Bürger von weniger als zwei Dollar am Tag.

Lohnniveau im Kosovo liegt leicht über der Region

"Die Politiker haben in den vergangenen Jahren nur über den Status geredet, aber nichts für die Wirtschaft getan", beschwert sich der Bürgermeister der serbischen Enklave Novo Brdo nahe Pristina, Petar Vasic. Die offene Statusfrage habe die Investoren abgeschreckt, diese Unsicherheit müsse nun endlich beendet werden, fordert der Koordinator der Verhandlungsdelegation der Kosovo-Albaner bei den Statusverhandlungen in Wien, Blerim Shala. Der Chef der UN-Mission im Kosovo (UNMIK), Joachim Rücker, zeigt Verständnis für die Ungeduld der Albaner. Wachstumspotenzial bescheinigt der deutsche Diplomat dem Kosovo mit seinen großen Vorkommen an Braunkohle, Zink, Nickel und Eisen vor allem im Energiebereich, aber auch in der Landwirtschaft.

Rund um die internationalen Organisationen hat sich auch eine kleine Dienstleistungsindustrie vom Fahrer bis zum Dolmetscher angesiedelt. Die Anwesenheit der gut zahlenden Ausländer habe allerdings dazu geführt, dass das Lohnniveau im Kosovo leicht über dem der Region liegt, sagt die Leiterin der unabhängigen Denkfabrik Kosovar Stability Initiative (IKS) in Pristina, Besa Shahini. Ein weiterer Wettbewerbsnachteil sei, dass das Kosovo mit seinen zwei Millionen Einwohnern ein sehr kleiner Absatzmarkt sei.

Kosovo wird ausländische Hilfe benötigen

Shahini wirft der provisorischen Regierung in Pristina vorschnellen Überoptimismus vor. Die erwarteten Investitionen im Energiebereich würden nicht viele Arbeitsplätze schaffen. Einen raschen Boom nach Klärung der Statusfrage schließt Shahini aus. Stattdessen werde sich unter vielen Bewohnern wohl "massive Enttäuschung" breit machen. Fünf bis sieben Jahre müssen die Bewohner des Kosovo nach ihrer Schätzung ausharren, bis die Wirtschaft spürbar anzieht.

Das Kosovo werde noch einige Jahre ausländische Hilfe benötigen, räumt auch der Koordinator der Albaner-Delegation, Shala, ein. Er schlägt eine internationale Geberkonferenz direkt nach der Status-Entscheidung vor. Auf zwei Milliarden Euro schätzt er den dringlichen Finanzbedarf. Eine ökonomische Erholung ist auch im Interesse des Zusammenlebens von Albanern und Serben dringend nötig: "Die Wirtschaft ist der Schlüssel zum Abbau der ethnischen Spannungen", sagt UNMIK-Chef Rücker. Der Ortsvorsteher von Novo Brdo, Vasic, drückt es anders aus, meint aber das selbe: "Wenn die Menschen Geld verdienen, ist es ihnen egal, wer der Regierungschef ist." (tso/AFP)

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