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Kosovo

© Scheffer

Kosovo: Eine geräuschvolle Affäre

Die Festnahme der BND-Agenten im Kosovo sollte diskret behandelt werden – Nationalisten in Pristina könnten das verhindert haben.

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Manchmal ist die Wirklichkeit tatsächlich wie in einem Agentenroman. Da werden im Kosovo drei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) festgenommen, weil sich einer von ihnen in der Nähe eines Anschlagsorts aufgehalten hat. Offiziell werfen die lokalen Behörden ihnen sogar vor, selbst einen Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der EU in Pristina verübt zu haben. Das klingt abenteuerlich. Tatsache ist: Die drei Deutschen haben in dem Balkanstaat verdeckt recherchiert, also im Verborgenen, um die Aktivitäten organisierter Banden zu ergründen. Der politischen Führung des Kosovo dürfte das wenig gefallen haben, denn nach Recherchen der Schweizer „Weltwoche“ berichtete der BND schon 2005 über enge Verbindungen vieler Regierungsmitglieder zur organisierten Kriminalität.

Vor allem jene Politiker, die früher im Untergrund für die Loslösung des Kosovo von Serbien kämpften, stehen im Verdacht, Seilschaften zur internationalen Waffen- und Drogenmafia zu unterhalten. „Kosovo hat die höchste Dichte an Tankstellen und Hotels in ganz Europa. Das ist kein Zufall, denn solche Geschäfte sind ideale Geldwaschanlagen“, so ein hoher europäischer Nato-Vertreter im Kosovo. Auch der von den UN eingesetzte Ombudsmann für Menschenrechte, Hilmi Jashari, spricht von kriminellen Machenschaften „auf höchster Ebene“. „Es gibt Morde, die nie aufgeklärt wurden“, sagte er in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel.

In Belgrad geht man noch weiter: „Mit dem Kosovo hat das organisierte Verbrechen einen eigenen Staat bekommen“, heißt es in der serbischen Regierung seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar dieses Jahres. Und genau das macht es Deutschland und anderen westlichen Staaten so schwer, die Vorwürfe offen auszusprechen. Mit der Anerkennung des Kosovo haben sich Washington, Berlin und die Mehrzahl der EU-Mitglieder gegen Serbien gestellt – und stehen unter Druck, das Projekt Unabhängigkeit zum Erfolg zu führen. Weder der BND noch die Bundesregierung haben daher ein Interesse daran, die aktuelle Affäre um die drei festgenommenen BND-Männer an die große Glocke zu hängen.

Dass die kosovarische Seite den Vorfall öffentlich machte, ist nach Informationen des Tagesspiegels auf Rivalitäten innerhalb der Regierung zurückzuführen. Premier Hashim Thaci hat demnach ebenfalls kein Interesse daran, Deutschland zu brüskieren. Zwar wird auch er laut „Weltwoche“ in dem BND-Bericht von 2005 in Verbindung zur organisierten Kriminalität gebracht. Als Regierungschef des neuen Kosovo ist er aber zugleich auf die Hilfe der Bundesrepublik angewiesen. Erst kürzlich bekannte er vor deutschen Journalisten: „Unser Hauptziel ist es, Mitglied der EU und der Nato zu werden.“

Thaci wurde offenbar vor vollendete Tatsachen gestellt. Als Sicherheitskräfte die Deutschen festnahmen befand er sich auf einer Reise außerhalb des Kosovo. Die Affäre wurde offenbar von Rivalen Thacis hochgekocht, die sich auch der heimischen Boulevardpresse bedienten. Deshalb war es für Thaci nach seiner Rückkehr nicht mehr möglich, den Fall geräuschlos zu beenden.

Zusätzlich erschwert wird eine Lösung des Falles durch den Streit zwischen dem Kosovo und der EU über die Rechtsstaatsmission Eulex. Sie sieht unter anderem vor, dass 1900 europäische Polizisten, Richter und Zöllner den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen unterstützen. Dazu zählt auch der Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Teile der Regierung und nationalistische Kreise empfinden dies als Bevormundung. In dieser Situation fand in Pristina der Anschlag auf das Gebäude der Europäischen Union statt. Die Verantwortung dafür dem BND zuzuschieben, passt offenbar in das Kalkül von Hardlinern in der Regierung.

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