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Kosovo: Nationalhymne ohne Text

Das Kosovo feiert seine Verfassung, doch der Streit mit Russland und Serbien um die künftige Verwaltungshoheit trübt die Stimmung.

Im Kosovo ist am Sonntag eine eigene Verfassung in Kraft getreten. Damit festigt das Land seine Unabhängigkeit und macht nach neun Jahren unter der Verwaltung der Vereinten Nationen die eigene Regierung zur obersten Entscheidungsgewalt. Serbiens Präsident Boris Tadic unterstrich jedoch, dass die Provinz weiter als Teil Serbiens betrachtet würde. So ist von Euphorie im jüngsten Staat der Welt nicht zu spüren. Das Chaos der internationalen Präsenz vor Ort und die Angst vor einer Teilung des Landes verderben die Feststimmung.

Im großen Jugendpalast im Zentrum von Pristina spielte erstmals ein Orchester live die neue Hymne des Kosovo – ohne Text, um die Serben nicht zu verärgern. Vier Monate nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung durch das kosovarische Parlament gilt nun auch die eigene Verfassung. Mit dem gestrigen Tag sollte eigentlich auch die Präsenz der UN-Übergangsverwaltung Unmik enden, die seit dem Ende des Kosovokriegs vor neun Jahren auf Basis der UN-Resolution 1244 die ehemalige südserbische Provinz regiert hat. In der Verfassung kommt die Unmik nicht mehr vor. Dafür stützt sich das Grundgesetz konsequent auf den Plan des UN-Sondergesandten für das Kosovo, Martti Ahtisaari. Der frühere finnische Präsident hatte für das Kosovo im Februar 2007 die überwachte Unabhängigkeit vorgeschlagen und dabei vor allem den Kosovo-Serben zahlreiche Sonderrechte zugesichert. Der Plan scheiterte aber im UN-Sicherheitsrat am Widerstand Russlands. Das kosovarische Parlament hat jedoch – auf sanften Druck der USA und der führenden EU-Länder – den Ahtisaari-Plan in die neue Verfassung integriert und damit auch der Überwachung durch einen Internationalen Zivilvertreter (ICR) zugestimmt. Der Niederländer Pieter Feith, der dieses Amt nun innehat, berät mit seinen 75 Mitarbeitern die kosovarische Regierung, kann aber seit gestern auch Gesetze ändern oder Amtsträger entlassen, sofern er Verstöße gegen die Regeln aus dem Ahtisaari-Plan feststellt.

Das zweite Standbein der internationalen zivilen Präsenz stellt die EU-Rechtsstaatsmission Eulex dar, die vom Franzosen Yves de Kermabon geleitet wird. Mit 1900 Richtern, Staatsanwälten, Polizisten und Zollbeamten soll die Eulex – auf Einladung des Kosovo – das Justizsystem im Land überwachen und gegen organisierte Kriminalität und Korruption vorgehen. Dazu ist sie mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, kann die kosovarischen Gerichte von Fällen entbinden oder Beamte im Justizbereich entlassen.

Ein solches Instrument tut not. Laut Avni Zogiani von der kosovarischen Anti-Korruptions-NGO Cohu sei „die Mehrheit der Staatsanwälte und Richter im Kosovo in irgendeiner Form mit der organisierten Kriminalität verbunden“. Auch bei den großen Parteien – gerade den beiden Koalitionspartnern PDK und LDK – sehe es nicht besser aus.

Serbien und die Kosovo-Serben bezeichnen die Eulex jedoch als illegal. Bis jetzt sind nur rund 300 Eulex-Mitarbeiter im Kosovo angekommen. Grund für die Verzögerungen ist, dass die Eulex bislang mit keinem von den UN abgesegneten Mandat ausgestattet ist, um im Justizbereich die Unmik zu beerben. Zwar stehen alle 27 EU-Staaten – auch jene, die das Kosovo nicht als Staat anerkannt haben – hinter der Eulex. Doch Russland, die Schutzmacht Serbiens im Kampf gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, hält strikt an der Unmik fest.

Norbert Rütsche

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