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Kosovo: Tausche Land gegen Anerkennung

Serbien könnte den Norden des Kosovo erhalten und im Gegenzug die Unabhängigkeit des Landes akzeptieren.

Berlin - Im Kosovo gibt es für die UN keinen Platz mehr. „Das Kosovo ist ein unabhängiger, souveräner, einheitlicher und unteilbarer Staat“, heißt es in Artikel Eins der neuen Verfassung. Sie tritt am Sonntag in Kraft. Von Autoritätsrechten der Unmik, der UN-Mission im Kosovo, die das Land seit 1999 faktisch wie ein Protektorat regiert hat, ist darin keine Rede. Vielmehr steht die EU in den Startlöchern, um zentrale Aufgaben der UN zu übernehmen. Für Unmik-Chef Joachim Rücker, der in den vergangenen Jahren alle Gesetze der Regierung gegenzeichnete und Haushaltsvollmacht besaß, bleibt damit nichts mehr zu tun. Der UN-Sicherheitsrat hat bisher jedoch weder den Abzug noch eine Verkleinerung der UN-Vertretung in Pristina verfügt. Seit sich nämlich die frühere serbische Provinz am 17. Februar für unabhängig erklärte, ist der UN-Sicherheitsrat in Sachen Kosovo beschlussunfähig, weil Russland die Unabhängigkeitserklärung ebenso wie Serbien nicht anerkennt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sah sich nun zum Handeln gezwungen. Vor wenigen Tagen hat er den Präsidenten des Kosovo und Serbiens Briefe geschrieben. Pristina verspricht er darin, den Einsatz der EU so weit wie möglich zu unterstützen, Belgrad wiederum sagt er zu, dass es im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo gemeinsam mit der Unmik auch weiter zentrale Hoheitsaufgaben wie Zoll oder Justiz wahrnehmen darf.

Die Regierung in Pristina und mit ihr die USA und die meisten EU-Staaten können damit weiter nach Plan A vorgehen – dem nach seinem Verfasser, dem früheren finnischen Präsidenten benannten Ahtisaari-Plan. Dieser war für den Fall einer international akzeptierten Unabhängigkeit des Kosovo ausgearbeitet worden und sieht eine Überwachung des neuen Staates durch die EU vor. Der EU-Sondergesandte Pieter Feith hat bereits seine Arbeit aufgenommen und „ist entschlossen, am 15. Juni zu übernehmen“, wie sein Sprecher Andy McGuffie sagt.

Feiths Mitarbeiter tragen den Ahtisaari-Plan, als kleine Broschüre gebunden, wie eine kleine Mao-Bibel mit sich herum. Doch die Realität sieht anders aus als darin beschrieben: Von einer Ablösung der UN durch die EU ist in Bans Brief nicht die Rede, lediglich eine Umstrukturierung der Unmik kündigt er an. Damit sind weitere Probleme absehbar. So sollen 2000 Fachleute einer europäischen Rechtsmission (Eulex) dem Kosovo beim Aufbau des Justizwesens und der Polizei helfen, eine Aufgabe, die bisher bei den UN-Verwaltern lag. Wie die Arbeit koordiniert werden kann, ist offen. Eulex-Chef Yves de Kermabon hatte bisher zu verstehen gegeben, er sei nicht bereit, sich einem „UN-Kommando zu unterwerfen“. Einstweilen hat die EU ihre Mission auf September verschoben.

Weitere Schwierigkeiten drohen, wenn Ban seine Pläne im UN-Sicherheitsrat vorstellt. Russland hat bereits deutlich gemacht, dass es nicht bereit ist, sie mitzutragen. Langfristig zeichnet sich durch Bans Zusagen an Belgrad indes ein Szenario ab, das Beobachter seit langem als Lösung des Konflikts voraussagen: Serbien bekommt den Norden des Kosovo zurück und akzeptiert dafür die Unabhängigkeit der knapp zwei Millionen Kosovo-Albaner. Dem dürfte dann auch Russland zustimmen.

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