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Herber Rückschlag auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

© AFP

Kramp-Karrenbauer nach dem Thüringen-Debakel: Die schwache CDU-Vorsitzende

Die CDU-Chefin macht bei dem Thüringen-Debakel keine gute Figur. Es ist ein herber Rückschlag auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur.

Von Robert Birnbaum

Die Chefin kommt von Kopf bis Fuß in Grellrot. Das extravagante Outfit soll vielleicht Entschlossenheit signalisieren, sich nicht unterkriegen zu lassen. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer wird sich keiner Illusion hingeben. Das Debakel von Erfurt lässt sie nicht als starke Anführerin erscheinen, die den Willen der Partei bis in die eigenen Landestruppenteile hinein durchsetzen kann.

Dass die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag mit großer Mehrheit den FDP-Mann Thomas Kemmerich wählte und in Kauf nahm, dass die AfD ihm zur noch fehlenden Ministerpräsidenten-Mehrheit verhalf, war schon ein übler Affront. Doch als Kramp-Karrenbauer am Donnerstag zum Krisentreffen in die Thüringer Landeshauptstadt kam – eine Reise, die nach all dem Durcheinander an sich völlig richtig war –, schlugen ihr die Abgeordneten auch das Ansinnen aus, geradewegs auf eine Neuwahl hinzusteuern.
Die Männer und Frauen in Erfurt hatten gute Gründe.

Eine Neuwahlwürde mit schlimmen Verlusten enden und nur Linke und AfD stärken. Ohnehin musste sich Kramp-Karrenbauer bis tief in der Nacht anhören, dass die in Berlin keine Ahnung hätten von der Lage und den Denkweisen vor Ort. „Sie hat da ganz schön eingeschenkt bekommen“, heißt es.

Das schlagendste Argument der Abgeordneten gegen Neuwahlen waren allerdings die Thüringer Verfassung und die Mehrheitsverhältnisse im Landtag. Als das CDU-Präsidium vor zwei Tagen auf Kramp-Karrenbauers Vorschlag hin seine Neuwahlforderung erhob, hätte eigentlich schon klar sein müssen, dass die Landes-CDU sie gar nicht durchsetzen kann.

Am Freitag wurde aus der sinnlosen Forderung eine Nebelkerze mit kurzem Knalleffekt. Kramp-Karrenbauer verlangte von SPD und Grünen, für eine nächste Ministerpräsidentenwahl selbst einen Kandidaten aufzustellen, der – anders als der Linke Bodo Ramelow – Chancen auf eine echte Mehrheit hätte.

Operation Mitte

„Operation Mitte“ nannte das Gesundheitsminister Jens Spahn vor der Sitzung. „Absurd“ nannten es Linke, Grüne und SPD danach. Wenig später verbreitete die CDU-Landtagsfraktion kühl die realistische Beschlusslage vom Vorabend: Man wird Ramelows Wahl in einem zweiten Anlauf nicht blockieren, sondern per Enthaltung billigend in Kauf nehmen. Ein Bericht, die CDU-Chefin habe den Thüringern freie Hand für Kooperation mit Ramelow erteilt und sogar dazu, eigene Projekte mit AfD-Stimmen durchzusetzen, ist allerdings eine für die Erfurter Gerüchteküche typische Tartarenmeldung.

Wenigstens einen indirekten Erfolg konnte Kramp-Karrenbauer verbuchen. CDU-Landeshäuptling Mike Mohring wurde von der eigenen Fraktion zum Rücktritt gedrängt. Das erspart der Chefin, im Parteistatut weiter im Kapitel Ordnungsmaßnahmen zu blättern. Mohring verließ die Bühne nicht, ohne noch etwas Schmutz in ihre Richtung zu werfen: Nicht sie, sondern er habe zuerst auf die Gefahr hingewiesen, dass die AfD einem Kandidaten von FDP oder CDU zur Ministerpräsidenten-Mehrheit verhelfen könnte.

Die Saarländerin bekräftigte in der Präsidiumssitzung ihre Version. Sie selbst und auch Kanzlerin Angela Merkel hätten immer wieder auf die Thüringer CDU eingeredet. Bei Mohring revanchierte sie sich damit, dass sie seinen nächtlichen Rückzug bekanntgab, den er selbst partout nicht hatte bestätigen wollen.

Doch solche kleinen Siege nützen wenig. Auch der Umstand, dass im Parteipräsidium Mitglieder wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther die öffentliche Kritik von JU-Chef Tilman Kuban und dem Chef-Mittelständler Carsten Linnemann an der Vorsitzenden als schädlich für alle zurückwies, sind für Kramp-Karrenbauer kein echter Trost.

Die Chefin hätte „Führung zeigen“ müssen, hatte Kuban geätzt. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unterstützte die Vorsitzende sogar öffentlich gegen derlei Vorhalte. Aber die Tücke solcher Zusprüche liegt ja gerade darin, dass sie erst recht den Eindruck befördern, die Verteidigte habe es gerade nötig.

Für Kramp-Karrenbauer sind das herbe Rückschläge auf dem Weg zu einer Kanzlerkandidatur. Dabei hatte sie sich aus den Anfangsschwierigkeiten gerade etwas befreit und im Amt der Verteidigungsministerin sicht- und hörbar neuen Halt gefunden. Ein relativer Trost blieb: NRW-Chef Armin Laschet warnte vor „innerparteilichem Machtkampf“. Was so viel heißt wie: Jetzt im Moment käme der ihm zu früh.

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