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Überlastet. Der Klinikalltag ist immer mehr von Hektik geprägt.

© ddp

Krankenhäuser: Patienten leiden unter Mangel an Pflegekräften

Je höher die Arbeitsbelastung des Krankenhauspersonals desto höher das Risiko für Patienten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie und kritisiert den massiven Stellenabbau.

Berlin - Die Untersuchung war aufwendig, und die Diagnose ist beunruhigend. In deutschen Kliniken, so lautet sie, herrscht nach massivem Stellenabbau inzwischen „chronischer Pflegemangel“. Und der führt nicht nur zur Überlastung der Beschäftigten, sondern zunehmend auch zum Risiko für die Patienten.

Es gehe längst nicht mehr darum, dass sich keiner ans Bett der Kranken setzen und ihnen zuhören könne, fasst Michael Isfort vom Deutschen Institut für Pflegeforschung das Ergebnis einer Umfrage von mehr als 10 000 Pflegekräften für das sogenannte „Pflegethermometer 2009“ zusammen. Der Mangel betreffe inzwischen „ganz zentrale Bereiche“. So wollte mehr als die Hälfte der Befragten nicht ausschließen, dass es wegen der hohen Arbeitsbelastung auch bei Medikamentengabe, Verbandswechsel und Hygiene zu Fehlern komme. Bei der Überwachung von verwirrten Patienten, dem Füttern, der Mobilisierung oder fachgerechten Lagerung sowie der Betreuung von Schwerstkranken scheinen Mängel ohnehin der Regelfall. Vier von fünf Pflegekräften rechnen damit. Und nur jede dritte geht noch davon aus, das für notwendig Erachtete im Klinikalltag tun zu können.

Die Gefahr für die Patienten steigt der Umfrage zufolge mit der Arbeitsbelastung. Und jede fünfte Klinikpflegekraft muss laut Isfort als „hoch belastet“ eingestuft werden. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, im vergangenen Jahr mehr Patienten betreut zu haben. Nur 5,6 Prozent der Befragten leisten keine Überstunden. Und nur zwei von fünf Pflegenden gelingt es, diese Überstunden zeitnah in Freizeit umzuwandeln.

Die Probleme kommen nicht von ungefähr. Zwischen 1996 und 2008 wurden in den deutschen Kliniken, trotz Arbeitsverdichtung und kontinuierlich gestiegener Patientenzahl, 50 000 Vollzeitstellen abgebaut. Das ist, mit 14,2 Prozent, jede siebte. Im gleichen Zeitraum habe man die Zahl der Klinikärzte um rund 26 Prozent erhöht. Und von den 3,8 Milliarden Euro, um die sich die Personalkosten zwischen 2002 und 2008 erhöhten, landeten 2,9 Milliarden bei den Medizinern. Bei den Pflegekräften dagegen gab es ein Minus von 50 Millionen Euro.

Er könne diese Entkopplung nicht verstehen, sagt Isfort. Patientenversorgung funktioniere nur im Team. Ein Fußballtrainer komme auch nicht auf die Idee, fünf neue Stürmer aufzustellen und dafür die Verteidigung aufzugeben. Zwar sei der Stellenabbau offenbar gestoppt. Doch die Folgen zeigten sich jetzt erst in aller Schärfe. Und das unter der Vorgängerregierung gestartete Sonderprogramm mit 17 000 neuen Pflegestellen zeige noch keine Wirkung.

Kurzfristig sei der riskante Mangel ohnehin kaum zu beheben, meint der Experte. Der Arbeitsmarkt sei „leer gefegt“, gleichzeitig werde zu wenig ausgebildet. Und die vorhandenen Kräfte suchten vorzeitig nach dem Absprung oder seien bemüht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. In der Umfrage äußerte jede vierte diese Absicht. Und nur die Hälfte geht davon aus, bis zum Rentenalter im Job zu bleiben. Das demografische Problem werde sich noch verschärfen, warnt Isfort, denn der Stellenabbau habe vor allem die unter 35-Jährigen betroffen. „Die Krankenhauspflege altert schneller als die Altenpflege und die Gesamtbevölkerung.“

Die Kliniken reagierten auf ihre Pflegekrise bislang mit „erschreckender Tatenlosigkeit“, kritisiert der Wissenschaftler. Dabei herrsche „Handlungsbedarf auf allen Ebenen“. Isforts dringende Empfehlung: ein Kraftakt aller Beteiligten, um „in einer konzertierten Aktion den sich abzeichnenden Kollaps zu vermeiden“.

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