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Politik: Krankenkassen machen Verluste

Vor allem die AOK rutscht ins Minus / Verwaltung kostet deutlich mehr, Arznei kaum

Berlin - Trotz einer Beitragserhöhung um 0,6 Prozentpunkte sind die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr deutlich im Minus gelandet. Das Gesundheitsministerium beziffert das Defizit auf 445 Millionen Euro – und nimmt es als Rechtfertigung seiner Spargesetze. 2009 erwirtschafteten die Kassen noch einen stattlichen Überschuss von 1,4 Milliarden Euro. Aber die Finanzsituation der einzelnen Kassen ist höchst unterschiedlich.

Während die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 515 Millionen Euro überraschend tief in die roten Zahlen rutschten, erwies sich die Techniker Krankenkasse vorerst als krisenresistent – und mit einem Plus von 558 Millionen Euro als Branchenprimus. Knapp im schwarzen Bereich befindet sich die KKH Allianz, allerdings ist ihr Überschuss von fünf Millionen auch den Zusatzbeiträgen ihrer Mitglieder geschuldet. Der DAK half der Versichertenobolus nicht aus dem Minus von 79 Millionen. Beim Branchenführer Barmer GEK summierten sich die Miesen im vergangenen Jahr auf 298 Millionen Euro.

Im Ministerium geben sie sich dennoch zufrieden: „Solide Ausgangsbasis“ für die kommenden Jahre, lautet die Sprachregelung. Die Ausgabenzuwächse hätten sich immerhin „abgeflacht“ – und zwar dank der Reformen. Lag der Anstieg im ersten Halbjahr noch bei 4,2 Prozent pro Versichertem, betrug er im zweiten nur noch 3,1 Prozent. „Maßgeblich“ sei dies auf die Entwicklung bei Arzneimitteln zurückzuführen. Der höhere Pharmarabatt seit August 2010 etwa habe die Kassen um mehr als eine halbe Milliarde Euro entlastet.

Tatsächlich stiegen die Arzneiausgaben, aufs Gesamtjahr gerechnet, lediglich um 1,3 Prozent. Im ersten Halbjahr, vor dem Arzneimittel-Neuordnungsgesetz, lagen sie noch bei 4,8 Prozent – etwa beim Schnitt der Vorjahre. Auch bei den Ausgaben für ambulante Behandlungen stiegen die Kosten Schätzungen zufolge nur noch um 2,6 Prozent – nach einem Zuwachs von 7,4 Prozent 2009.

Umso auffälliger sind die Ausgabenzuwächse. Die Kosten für Klinikbehandlungen stiegen pro Versichertem um 4,7 Prozent, im ersten Halbjahr waren es nur 4,2 Prozent. Beim Krankengeld mussten die Kassen erneut acht Prozent mehr drauflegen – das Ministerium führt dies vor allem auf psychische Erkrankungen und gestiegenes Renteneintrittsalter zurück. Und die Verwaltungskosten der Versicherer erhöhten sich um satte 6,2 Prozent.

Die verordnete Begrenzung dieser Kosten für 2011und 2012 auf das Niveau von 2010 erweise sich als „unverzichtbar“, heißt es im Ministerium. Die Kassen reagieren erbost auf den unterschwelligen Vorwurf. Die Politik habe sie zum Aufbau von Altersrückstellungen verdonnert, nun müssten die Beitragszahler für die „Privatisierungsideologie“ der Regierenden aufkommen. Wer glaube, öffentliche Körperschaften konkursfähig machen zu müssen, dürfe sich hernach nicht über zusätzliche Kosten für Sicherungseinlagen und Versorgungsansprüche beklagen.

Trotz ihrer Defizite: Im laufenden Jahr wollen es AOK und Barmer GEK noch ohne Zusatzbeiträge schaffen. Doch wie eng die Situation ist, zeigt sich allenthalben. So verhandelt die Gewerkschaft Verdi bereits mit fünf Kassen über einen „Notlagentarif“. Sie wollen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten auf 33,5 Stunden senken, um Entlassungen zu vermeiden. Betroffen sind laut Verdi die DAK, die KKH- Allianz, die Barmer GEK, die Hanseatische Krankenkasse (HEK) und die HKK.

Zudem wurde bekannt, dass sich einige Kassen nun entschlossen haben, säumigen Versicherten mit Pfändung zu drohen. Dazu seien deren Daten den Hauptzollämtern übergeben worden, hieß es. Allein bei der DAK haben 220 000 Mitglieder ihren seit Februar fälligen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat noch nicht gezahlt – das sind fünf Prozent ihrer Kunden.

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