zum Hauptinhalt

Politik: Kreativ verteidigen

Auch auf der Sicherheitskonferenz wird über Afghanistan debattiert – der Druck auf Deutschland wächst

So sieht das also aus, wenn die Debatte um den deutschen Beitrag in Afghanistan beendet ist, wie es Verteidigungsminister Jung nach dem Nato-Treffen in Vilnius gesagt hatte. Zu Ende ist sie nicht. Allerdings sind auf der Münchner Sicherheitskonferenz leicht modifizierte Töne zu hören. Und die Diskussion geht mehr und mehr dahin, die öffentliche Meinung wichtig zu nehmen und stärker zu erklären, was die Nato in Afghanistan vorhat.

Jung selbst wiederholte, lässig ans Pult gelehnt, weitgehend seine Darstellung aus den vergangenen Tagen. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer lobte abermals den deutschen Beitrag, forderte aber noch einmal „maximale Flexibilität“ und „möglichst wenige Ausnahmen“. Es gehe um „eine Mannschaft, eine Mission“. Das, was Jung als Strategie der vernetzten Sicherheit mit militärischer Sicherung und Aufbau bezeichnet, will er auf dem Nato-Gipfel in Bukarest besprechen – und nennt es „deutlich machen, warum wir da sind“. Der umfassende Ansatz müsse „mehr als ein edles Ziel sein“. Dafür müsse die Allianz „kreativer denken“– und auch auf die Wahrnehmung des Einsatzes in Parlamenten und Öffentlichkeit achten. Die Schwierigkeiten seien im Übrigen keine Bedrohung für die Nato, sondern eine positive Herausforderung. „In Afghanistan sind wir nicht dabei, Boden zu verlieren, aber vieles ist verbesserungsbedürftig.“

US-Senator Lindsey Graham nahm es mit bitterer Ironie, dass statt ihm der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain erwartet worden war. „Ich bin ein schlechter Ersatz. Ich komme seit zehn Jahren nach München und spreche das schlechteste Englisch hier oben.“ Mit gekreuzten Armen stützte er sich auf den Tisch und dankte den Deutschen für ihren Einsatz im Norden Afghanistans, der dort Ruhe gebracht habe. „Aber der Kampf findet im Süden statt“, fügte er hinzu. 1300 US-Marineinfanteristen würden bald nach Afghanistan gehen, „sie sind müde - und dennoch bereit, weil sie wissen, dass man sie dort braucht“. Er versuche, die Debatte neu zu formulieren, und er verwies mehrfach darauf, die USA hätten im Irak viele Fehler gemacht, daraus aber gelernt. Für Afghanistan aber gelte: „Die Nato wollte diesen Kampf, nicht die USA.“ Und an die deutschen Freunde: „Sie sind das Herz und die Seele der Nato, um sie herum ist die Allianz gebildet worden.“ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bemühte sich, Differenzen mit den USA zu relativieren. Er habe eine Stunde mit US-Verteidigungsminister Robert Gates gesprochen und auch die Amerikaner hätten bereits viel mehr zivile Wiederaufbaumaßnahmen gestartet als allgemein zur Kenntnis genommen werde, sagte Steinmeier dem Tagesspiegel. „Von daher muss es keinen Strategiewechsel geben, den gibt es längst.“

Frankreichs Verteidigungsminister Hervé Morin forderte, „die europäischen Nationen müssen erwachsen werden. Europa kann nicht der zivile Teil der Nato sein.“ Es müsse die Lasten übernehmen, die es zu tragen habe. In Afghanistan gelte nur für ein Zehntel der Streitkräfte keine Einsatzbeschränkung, monierte er. Dort sei es wie Ebbe und Flut: Wo sich das Militär zurückziehe, seien die Aufständischen rasch wieder da. Er betonte, es gebe keine rein militärische Lösung - und forderte einen UN-Beauftragten für zivile Belange. Auch in Nato-Kreisen wünscht man sich einen Koordinator für Wiederaufbau.

Und dann hätte die Konferenz die Brücke zu den Betroffenen, zur Wirklichkeit schlagen können. Mitten in der Diskussion um Ziele und Strategien stand der kanadische Gefreite Michael O’Rouke da, bekam die Medaille „Frieden durch Dialog“, stellvertretend für alle, die ihr Leben riskieren. In aller Kürze wurde ihm die Nadel ans Uniformrevers gesteckt, wie an einen Kleiderständer. Die Dankesworte sprach der Nato-Generalsekretär. Kein Wort des Soldaten. Doch dann war da noch die Mutter eines norwegischen Soldaten von der schnellen Eingreiftruppe, die die Deutschen im Sommer übernehmen. Sie sagte, auch im Norden gehe es um „echte soldatische Tätigkeiten“. Doch, wandte sie sich an Jung: „Ihr Publikum ist nicht informiert.“ Sieht so Verteidigung mit menschlichem Antlitz aus?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false