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Kremlchef auf Drachenflug: Putin als Leittier der Kraniche

Der Vorwurf, ob all der Machtfülle inzwischen ziemlich abgehoben zu sein, ist über Wladimir Putin häufiger zu hören. Doch nun lieferte der Kremlchef selbst den Beweis – beim Formationsflug-Training mit jungen Kranichen. Putin zeigt sich als Tierschützer, der Vögel ins Winterquartier führt.

Den Beamten des FSO, des für Personenschutz zuständigen föderalen Sicherheitsdienstes in Russland, muss sich beim bloßen Zuschauen vor Angst das Gefieder gesträubt haben. Drachenfliegen gilt nach Bergsteigen als gefährlichste Extremsportart. In den Sielen unter den mächtigen Schwingen – die Konstruktion gleicht einer Mischung aus Otto Lilienthals erstem Flugapparat und einem Modell des Urvogels Arche opterix – aber hing am Donnerstag nicht irgendwer, sondern das „Objekt Nummer eins“. So jedenfalls heißt im Jargon der Geheimdienstler Russlands Präsident: Wladimir Putin. Jener hat auf dem Weg zum Gipfel der Organisation für asiatisch-pazifische Wirtschaftskooperation Apec in der Arktis Zwischenstation gemacht. Auf der Halbinsel Jamal, wo sibirische Kraniche unter seiner Anleitung das Fliegen lernen sollten. Die auch als Nonnenkranich bekannte Gattung Grus leucogeranus ist akut vom Aussterben bedroht und zählt weniger als 20 Exemplare. Alle Jungtiere sind in Gefangenschaft geschlüpft. Putin sollte ihnen nun den Weg in die traditionellen Winterquartiere in Mittelasien weisen. Das indes kann nur funktionieren, wenn die Vögel den Kremlchef als Artgenossen wahrnehmen und als Leittier akzeptieren. Zu diesem Zweck legte Putin am Donnerstag einen weißen Tarnanzug und einen schwarzen Helm an. Auf die ursprünglich vorgesehene Gesichtsmaske mit Kunstschnabel wurde dann doch verzichtet. Putins PR-Strategen war offenbar in letzter Minute aufgegangen, wie klein der Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen ist.

Das Echo auf „Flug der Hoffnung“, so firmierte das Projekt offiziell, war ohnehin verheerend. Dass Putins Drachenflug nur wenige Minuten dauern würde, hatte der Chefkommentator des kritischen Radiosenders Echo Moskwy schon am Vortag herzlich bedauert. Er hätte Putin am liebsten zusammen mit den Kranichen ins usbekische Exil geschickt, ohne Recht auf Rückkehr im nächsten Frühjahr. Bürgerrechtler monierten, Putin setze sich zwar als Retter der Kraniche in Szene, verweigere aber partout den Dialog mit Umweltschützern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft. Nun rätseln die Russen, in welcher Ausnahmesituation sie ihren Herrscher das nächste Mal zu sehen bekommen. Man kennt die Bilder von Putins entblößter Brust beim Angeln und hoch zu Ross in der südrussischen Steppe, beim asiatischen Kampfsport wie mit einem U-Boot im Nordpolarmeer und im über tausend Meter tiefen Baikal-See. In Fernost half Putin, ein Tigerweibchen einzufangen. Am Donnerstag konnte dem russischen Herrscher zunächst nur ein Tier folgen. Bei einem zweiten Versuch ließen sich dann immerhin fünf Kraniche vom Ex-Geheimdienstchef lenken.

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