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Spitzengrüne.

© dpa

Kretschmann in Baden-Württemberg: Die grünen Igel und der schwarze Wolf

Das Beispiel Baden-Württemberg zeigt: Ökologie und Marktwirtschaft führen zur Macht. Vielleicht auch in neuen Konstellationen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Vielleicht musste alles so kommen, vielleicht ist es einfach nur an der Zeit. Die Grünen in Baden-Württemberg: Sie haben keine Angst mehr vor der Macht, längst nicht mehr. Entstanden aus den Bürgerbewegungen gegen Wyhl und Boxberg, stellen die Grünen heute wie selbstverständlich Bürgermeister, Oberbürgermeister und den Landesbürgermeister, vulgo; Ministerpräsidenten. 35 Jahre seit Anbeginn: ein Weg von links über gemäßigt links bis zum Realismus, besser Realissimus; ein Weg, so lang, dass er für mehr als eine Generation an Politikern reicht.

Schlauch und Palmer haben regen Kontakt

Die Grünen in diesem Bundesland waren immer eine Macht. Zuerst innerhalb der eigenen Partei. Diese Macht ist verbunden mit Namen und Köpfen wie, ja doch, dem Gerabronner Joschka Fischer, mit Rezzo Schlauch und Fritz Kuhn, mit Uschi Eid und Reinhard Bütikofer und Winfried Kretschmann und Biggi Bender und Wolf-Dieter Hasenclever und Marieluise Beck. Und das sind nur Namen, die in der Hochphase der grünen Kontroversen bundesweit oft genannt wurden; der Kontroversen, die es heute so nicht mehr gibt. Dazu Cem Özdemir, Dieter Salomon, Boris Palmer – sie und andere bilden jetzt auf je unterschiedliche Weise das, sagen wir: Generationenscharnier. Wie von, als Beispiel, Schlauch zu Palmer. Die beiden haben regen Kontakt.

Was zur These führt, dass das Grüne in Baden-Württemberg zum Schwarzen von morgen führen kann. Nicht nur, weil bei den einen die Pfarrerskinder sind, bei den Grünen, die die CDU heute gern hätte. Vielmehr, weil der politische Prozess seit Jahren darauf hingewiesen hat. Schon im Sommer 1988 hatte Fritz Kuhn mit einem Strategiepapier wechselnde Mehrheiten ins Gespräch gebracht und unter anderem das Feld der Ökologie, für die CDU die Bewahrung der Schöpfung, ins Gespräch gebracht. Und nicht nur das.

Viele bei der Union waren aufgeschlossen, nicht nur Junge wie Günther Oettinger, auch Erwin Teufel. Ja, auch er. Die SPD schlotterte schon damals. Und der erste schwarze Regierungschef, der auf einem Grünen-Parteitag sprach, hieß: Teufel. Das war im April 1997 in Bruchsal.

Kretschmann säte den grünen Weg in ein schwarzes Land

Eine halbe Stunde, in der Teufel sich zur sozialen und – wohlgemerkt und! – ökologischen Marktwirtschaft bekannte. Heiner Geißler, gebürtig aus Oberndorf am Neckar, gut vertraut mit Teufel und lange schon einer, der die Inhalte grüner Politik für die CDU, damals noch die konservative, reklamierte – der bekommt jetzt endgültig recht. In Baden-Württemberg, aber womöglich darüber hinaus. Auch in Berlin?

Versäumnisse und Berührungsängste vergangener Jahre, besonders unter Stefan Mappus, weiland Ministerpräsident, kommen nun auf die CDU wie saurer Regen nieder. Anstatt den Grünen den Nimbus der rechten „Ökos“ zu nehmen, wurde zum Beispiel Energiepolitik von gestern gemacht. Mit Spuren. Da hinein säte Ministerpräsident Kretschmann, der „grüne Teufel“, den grünen Weg in ein schwarzes Land.

Die Geschichte vom Hasen und vom Igel, die Erwin Teufel 1997 anführte, kann übrigens von Baden-Württemberg aus bald neu erzählt werden – mit den Grünen als Igel. Und einem Wolf als Geißlein.

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