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Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

© Marijan Murat/dpa

Kretschmanns Wutrede im Bundesrat: Kretschmann liest dem Bundesrat die Leviten

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hält viel von Länderautonomie. Die Kollegen tun es nicht – und bekommen eine Standpauke auf Schwäbisch.

Im Bundesrat gibt es üblicherweise weder Buhrufe noch Applaus. Er ist eine ruhige Kammer. Als Winfried Kretschmann am Freitag seine Rede beendet hatte, war es noch ein bisschen ruhiger. Lag da leichte Beklommenheit über dem Plenum? Der baden-württembergische Ministerpräsident hatte jedenfalls einen Auftritt hingelegt, in dem er dem Rest der Runde sozusagen die Leviten las. Der Grüne, mittlerweile 70 Jahre alt und nach dem Hessen Volker Bouffier der Ministerpräsident mit der zweitlängsten Amtszeit, hat eine etwas andere Auffassung vom Bundesstaat als die meisten Kollegen.

Er hält viel von Länderautonomie und nicht so viel vom großen Kooperieren zwischen Bund und Ländern. Das war schon so, als er als Vertreter der Landtage in der Föderalismuskommission saß, in der die Staatsreform von 2006 vorbereitet worden war. Schon damals war er enttäuscht, weil aus seiner Sicht zu wenig für die Stärkung der Länder herausgekommen war.

Und nun saß er am Freitag im Bundesrat und erlebte, was aus seiner Sicht die Restabwicklung der begrenzten Errungenschaften jener Reform war. Die 2006 vorgenommene Entflechtung werde mit den von der schwarz-roten Koalition geplanten Grundgesetzänderungen „vollends zurückgenommen“, die föderale Ordnung wieder „stark zu Gunsten des Bundes verschoben“. Gleich mehrere Verfassungsartikel sollen geändert werden, um dem Bund das Mitfinanzieren von Länder- und Kommunalaufgaben (Bildungsinfrastruktur, Regionalverkehr, sozialer Wohnungsbau) zu erlauben.

"Aushöhlung des Föderalismus"

Kretschmann sieht darin die „Aushöhlung des Föderalismus“. Sein Misstrauen gegenüber dem Bund geht auf das vorige Jahr zurück, als Bundesregierung und Bundestag beim Schnüren des neuen Finanzausgleichspakets ganz zum Schluss nicht unerhebliche Kontroll- und Steuerungsrechte für den Bund hineinschmuggelten. Aus der Wut fast aller Ministerpräsidenten über diese Aktion wurde allerdings nicht der Mut, sich gegen die weiteren Kooperationswünsche zu wehren. Außer bei Kretschmann. Die anderen sehen vor allem das Geld, er sieht die Einschnürung seiner Eigenständigkeit als Landespolitiker. Ein „süßes Gift“ für die Länder sei dieser Gesetzentwurf. Kretschmann will es nicht schlucken.

Die Bundesregierung wolle Zuständigkeiten vermengen und Verantwortlichkeit verwischen, sagt Kretschmann. „Die Länder werden faktisch der Fachaufsicht des Bundes unterworfen“, grantelt er. Das konnte auch die ihm antwortende Schweriner Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nicht wegwischen, einst Bundesministerin, die anmerkte, der Bund lasse den Ländern doch Spielräume. Aber Kretschmann will keine Spielräume, er will Eigenständigkeit. Und die Begründung, ohne Verfassungsänderung lasse sich der Bund-Länder-Digitalpakt für die Schulen nicht umsetzen, hält er für einen Schmarren: Das geltende Recht reiche dafür völlig aus. Der Bund wolle das Grundgesetz zum „Erfüllungsgehilfen zentralstaatlicher Versprechen“ machen.

Das Grundproblem sei aber die mangelnde finanzielle Ausstattung der Länder, und dass der Bund sich jetzt in Länderbereiche einmischen wolle mit seinen Programmen für Schulen und sozialen Wohnungsbau, sei das Eingeständnis dieser Unterfinanzierung. Wenn man aber dieser Meinung sei, dann müsse man den Ländern mehr Steuermittel zugestehen und nicht mehr Programmmittel. „Den Föderalismus gerade dann zu schwächen, wenn eine wachsende Zahl von Menschen in ihrer Region Halt und Heimat sucht, ist geradezu aberwitzig“, schloss Kretschmann.

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