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Politik: Kreuz mit Haken

Ein Stuttgarter Händler wird verurteilt, weil er antifaschistische Symbole verkaufte. Grünen-Chefin Roth wartet nun auf ihren Prozess

Heidi Hummler hat sich zur Urteilsverkündung einen Button an die Bluse geheftet. Sie ist Jahrgang 1933, in der Schule haben die Nazis an ihrem Beispiel die Herrenrasse demonstriert: groß, blond, blaue Augen. Nach dem Krieg, der ihre Heimatstadt Heilbronn zerstörte und sie als Waise zurückließ, hat sie Heinz Hummler geheiratet, dessen Vater Anton die Nazis wegen Hochverrats zum Tode verurteilt hatten. Wer sich mit Geschichte beschäftigt, sagt sie, „kann nur Antifaschist sein“. Auf dem Button steht „Nazis raus“, darunter ist eine rote Faust zu sehen, die ein schwarzes Hakenkreuz zerschlägt. Derartige Buttons und andere Waren mit Anti-Nazi-Symbolen wie durchgestrichenen Hakenkreuzen gehörten zum Sortiment des „Nix-Gut“-Versands. Am Freitag verurteilte das Landgericht Stuttgart Nix-Gut-Geschäftsführer Jürgen Kamm, 32, zu einer Geldstrafe von 90 Tagen zu 40 Euro. Der Angeklagte, so der Vorsitzende Richter Wolfgang Küllmer, werde wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt.

Kamm schüttelt den Kopf. Er bezeichnet sich selbst als Punk. Die Haare rot und gelb gefärbt, die Vita bürgerlich: verheiratet, zwei Kinder, Haus, Geschäftsmann. Nur, dass er aus Sicht des Gerichts die falschen Geschäfte gemacht hat. Küllmer zählt auf, was alles eingezogen werde: Rund 17 000 Artikel, darunter 946 runde Aufkleber „Hakenkreuz mit Querbalken“, 310 Aufnäher „beschuhter Fuß auf Hakenkreuz“. Küllmer sagt, es gehe um eine „grundsätzliche Tabuisierung“ von NS-Symbolen, ob verfremdet oder nicht, ob dafür oder dagegen. Der Angeklagte habe Artikel mit solchen Symbolen massenhaft gewerblich verbreitet. Das könne dazu führen, dass sich das Verwenden dieser Symbole einbürgere.

Noch im April hatte die Strafkammer an durchgestrichenen Hakenkreuzen nichts auszusetzen. Diese „Werbemittel“, so der damalige Beschluss, seien nicht geeignet, „eine Wiederbelebung verbotener Organisationen oder der von ihnen verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu fördern“. Doch nach Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte das Oberlandesgericht den Fall ans Landgericht zurückverwiesen.

Dort sagte Küllmer nun, das Urteil sei eine Etappe bis zu einer endgültigen Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof. Verteidiger Thomas Fischer kündigte Revision an. Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler war nach dem Urteil zufrieden.

Grünen-Chefin Claudia Roth dagegen ist empört: „In einer Zeit, in der die NPD in großen Teilen des Landes Erfolge feiert, brauchen wir Menschen, die sich gegen Alt- und Neonazis stellen“, sagte sie. Ausgerechnet diese würden durch das Urteil kriminalisiert. „Das ist rechtsblinder Autismus. Bei den Rechtsextremisten werden heute die Korken knallen.“ Die Begründung der Staatsanwaltschaft hält sie für „absurd“. Roth hat sich selbst angezeigt. Sie trägt einen Button mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz: „Diesem Prozess stelle ich mich gerne“, sagte die Grünen-Chefin. Ihr Verfahren sei eröffnet, die Immunität aufgehoben.

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