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Redemarathon. Noch vor dem Auftritt von Palästinenserpräsident Abbas sprach unter anderem Australiens Außenminister Rudd vor den versammelten UN-Staaten. Foto: Reuters

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Krieg der Worte: Schlagabtausch zwischen Palästinenserpräsident Abbas und Israels Premier Netanjahu

Staatsmännisch und selbstbewusst präsentierte sich Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung. Israel fühlt sich zu Unrecht verurteilt.

Berlin/New York – 1974 erschien der Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, mit der schwarzweiß karierten Kaffijah auf dem Kopf, einer Sonnenbrille auf der Nase und Pistolenholster um die Hüfte zu seiner historischen Rede in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Hier sprach ein Befreiungskämpfer. Sein Nachfolger an der Spitze der PLO, Mahmoud Abbas, erschien am Freitag im staatsmännischen Anzug und präsentierte sich als Präsident des zukünftigen Staates Palästina. In einer selbstbewussten Rede machte er mit harschen Worten die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten dafür verantwortlich, dass Friedensverhandlungen seit Jahrzehnten erfolglos gewesen sind. „Der Bau von Siedlungen auf dem Land, das zu einem zukünftigen Palästinenserstaat gehören soll“ mache alle Bemühungen zunichte. Abbas warnte in seiner mehrfach durch starken Applaus unterbrochenen Rede davor, dass diese Politik die Existenz selbst der Autonomiebehörde untergrabe.

Abbas erinnerte daran, dass die PLO Israel bereits anerkannt habe und erklärte, dass das palästinensische Volk Gewalt und Terror ablehne. Der Gang zu den Vereinten Nationen beweise, dass die Palästinenser auf eine diplomatisch-politische Lösung setzten. Er betonte, dass die Palästinenserführung mit ihrem Antrag auf Vollmitgliedschaft in den UN nicht den Staat Israel delegitimieren wolle, sondern die Siedlungspolitik und die Besatzung. Vor seiner Rede hatte Abbas dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Antrag auf Vollmitgliedschaft eines Staates Palästina in den Vereinten Nationen übergeben, der nun im Sicherheitsrat geprüft werden muss. Als Abbas während seiner Rede eine Kopie des Antrags hochhielt, gab es stehende Ovationen in der Generalversammlung. Er appellierte an die Delegierten, den palästinensischen Antrag zu unterstützen, weil sie damit dem Weltfrieden den „größten Dienst“ erweisen würden.

Nach Abbas´ etwa 40minütiger Rede trat der israelische Premier Benjamin Netanjahu an das Redepult und erklärte, dass die UN-Vollversammlung ein „Saal der Finsternis“ für sein Land sei, weil Israel „ungerechterweise“ in 27 Resolutionen verurteilt worden ist. Er werde „die Wahrheit“ in diese Versammlung bringen. Nach diesen Vorbemerkungen erklärte sich Netanjahu bereit, sofort ohne Vorbedingungen neue Verhandlungen mit dem Palästinenserpräsidenten aufzunehmen. Er machte jedoch klar, dass Israel auf einer militärischen Präsenz auch in einem zukünftigen souveränen Palästinenserstaat bestehe, weil das kleine Territorium Israels sonst nicht zu verteidigen sei. Er verwies darauf, dass dies in anderen Ländern auch kein Problem gewesen sei. Beispielsweise seien in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg noch jahrzehntelang ausländische Truppen stationiert gewesen. Zudem wiederholte Netanjahu die Forderung, die Palästinenser müssten Israel explizit als „jüdischen Staat“ anerkennen, was diese ablehnen.

Er warf den Palästinensern vor, einen „Staat ohne Frieden“ zu wollen und forderte die Generalversammlung auf, dies zu verhindern. Wenn sie eine Resolution zum Nahen Osten verabschieden wolle, solle sie die Freilassung des seit fünf Jahren in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Soldaten Gilad Shalit fordern. Netanjahu erklärte, die israelischen Siedlungen seien nicht der Kern des Konfliktes, sondern eine Folge des Konfliktes. Der Kern sei die Weigerung der Palästinenser, „einen jüdischen Staat in welchen Grenzen auch immer“ anzuerkennen.

Obwohl beide Politiker sich ausdrücklich zu neuen Verhandlungen bereit erklärten, zeigte der Schlagabtausch in der UN-Generalsversammlung, dass die Positionen weiterhin weit voneinander entfernt sind.

Der frühere US-Präsident Bill Clinton gab Netanjahu die Schuld an fehlenden Fortschritten im Friedensprozess. Israels Regierungschef weigere sich, die Bedingungen akzeptieren, die der damalige Premier Ehud Barak mit Palästinenserführer Jassir Arafat im Jahr 2000 in Camp David unter Clintons Vermittlung ausgehandelt habe, sagte Clinton in New York. Damals habe Arafat abgelehnt. Heute, da die Palästinenser alles zu geben bereit seien, was die Israelis im Jahr 2000 erreichen wollten, habe Israel einen Regierungschef, der mit immer neuen Forderungen den Frieden blockiere.

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