zum Hauptinhalt
Schiitische Rebellen haben weite Teile des Jemen erobert. Nun schlägt eine sunnitische Allianz zurück.

© Reuters

Krieg im Jemen: Wo neuer Terror entsteht

Der Jemen wird zum Schlachtfeld zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Doch der Konflikt geht sogar noch darüber hinaus. Ein Kommentar.

Die arabische Tragödie erlebt ihren nächsten Akt. Erst Syrien und Irak, dann Libyen – und jetzt auch der Jemen. Krieg und Bürgerkrieg eskalieren auf der Arabischen Halbinsel, sie ist seit fünf Jahrzehnten Wohlstandsregion und Großtankstelle der Welt. Wieder explodiert die gleiche toxische Mixtur aus globalen, regionalen, nationalen sowie religiös-ethnischen Konflikten, die die anderen Unglücksnationen bereits in die Selbstzerstörung gestürzt haben.

Jemen ist mehr als das lokale Drama einer verarmten und vergessenen Nation. Deren Niedergang wird auch Europa und die Vereinigten Staaten in Mitleidenschaft ziehen. Denn Al Qaida kann künftig ungestört operieren. Die US-Drohnenbasis ist zerstört, sie fiel Huthi-Rebellen in die Hände – zusammen mit Geheimlisten von Informanten aus dem Radikalenmilieu. Das nächste „Charlie Hebdo“ in Europa oder das nächste Flugzeugattentat auf Amerika könnten nicht lange auf sich warten lassen. Zudem gerät nach der Straße von Hormus eine zweite wichtige Schifffahrtsstrecke der Welt unter die Kontrolle des Iran und seiner Verbündeten – die Suezkanalroute durch den Golf von Aden, die 40 Prozent des Welthandels abwickelt.

Im Nahen und Mittleren Osten wird der Jemen nun zum nächsten Schlachtfeld im Kampf um die Hegemonie der Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran. Saudi-Arabien sieht sich als Vormacht des sunnitischen Islam, weil sich auf seinem Territorium die heiligen Stätten von Mekka und Medina befinden. Der Iran versteht sich als Führer der schiitischen Welt und dehnt seinen Einfluss immer weiter aus. Mit der Offensive der Huthis hat die Islamische Republik erstmals ihren Fuß fest auf die Arabische Halbinsel gesetzt und könnte ein pro-iranisches Jemen an der 1500 Kilometer langen Südgrenze des Königreiches etablieren. Im Irak, mit dem Riad gut 800 Kilometer Grenze teilt, regiert ebenfalls eine schiitische Mehrheitsregierung. In Bagdad hat Teheran so großen Einfluss, dass seine Revolutionären Garden bisweilen sogar das Militärkommando gegen den „Islamischen Staat“ führen.

Daher empfindet das saudische Königshaus die iranische Präsenz rund um sein Staatsgebiet inzwischen als existenzielle Bedrohung. Die Huthis im Jemen könnten Al-Qaida-Kommandos in Teilen des Landes bewusst freie Hand gegen Riad geben, ein Albtraum für König Salman und seine Sicherheitsberater. Um die verbündete Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi in Aden vor dem Kollaps zu bewahren, müsste Saudi-Arabien wohl auch mit Bodentruppen eingreifen. Die eigene Armee, obwohl ausgestattet mit allem, was auf dem globalen Waffenmarkt gut und teuer ist, ist allein dazu nicht in der Lage. Die Signale aus Ägypten indes sind schwankend. Während der Außenminister in einer emotionalen Aufwallung auch Bodentruppen anbot, ruderte das Präsidentenamt von Ex- Feldmarschall Abdel Fattah al Sisi bereits kurz danach entschieden zurück.

Untergehen in dem Gezerre aber wird – wie schon in Syrien, Irak und Libyen – das Schicksal der Zivilbevölkerung. Mehrere Dutzend Jemeniten sind an den ersten beiden Bombentagen gestorben. Fast die Hälfte der 24 Millionen Einwohner leidet seit Jahren an Unterernährung und Hunger. Einem Teil des karstigen Landes könnte bald das Trinkwasser ausgehen. Und so droht der arabischen Welt die nächste große Flüchtlingskatastrophe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false