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Kein Frieden in Darfur. Die Blauhelme der Friedenstuppe Unamid wissen nichts von Giftgas. Allerdings sind sie auch bisher nicht in die Marra-Berge vorgedrungen.

© Stuart Price/AFP

Krieg in Darfur: Berlin zweifelt an Berichten über Giftgas

Amnesty International wirft Sudan Chemiewaffeneinsatz vor. Bundesregierung hält den Bericht für "nicht plausibel", obwohl keine internationale Organisation in dem Gebiet vertreten ist.

Die Bundesregierung bezweifelt die Richtigkeit eines Berichts der Menschenrechtsorganisation Amnesty International über den möglichen Einsatz von Giftgas in der westsudanesischen Unruheregion Darfur. Das geht aus der Antwort von Markus Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Uwe Kekeritz (Grüne) hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Vor einem Monat hatte Amnesty International einen Bericht vorgelegt, in dem die Organisation 32 Fälle dokumentiert, in denen die sudanesische Regierung bei Luftangriffen auf Dörfer in der entlegenen Region Jebel Marra drei verschiedene chemische Waffen eingesetzt haben soll. Amnesty International beruft sich auf Telefonate mit 56 Überlebenden oder Angehörigen von mutmaßlichen Opfern der Angriffe. Demnach sind zwischen 200 und 250 Menschen, überwiegend Kinder, an den Folgen der Giftgaseinsätze gestorben. Unmittelbar nach der Veröffentlichung bestritt die Regierung in Khartum, je Giftgas eingesetzt zu haben. Der Bericht sei eine „Erfindung“. Mitte Oktober warf die sudanesische Regierung der Menschenrechtsorganisation vor, sie habe sich mit dem Report für die Kriegsinteressen des Milizenchefs Abdul Wahin Nour, den Anführer der „Sudanesischen Befreiungsarmee/Abdul Wahid“ einspannen lassen.

Der Grüne Kekeritz ist "fassungslos"

Uwe Kekeritz ist dennoch irritiert von der Reaktion der Bundesregierung: „Trotz der Berichte von Amnesty International über den Einsatz von Giftgas in Darfur bricht die Bundesregierung ihr lautes Schweigen nicht.“ Dem Tagesspiegel sagte er: „Das macht mich fassungslos.“ Ederer begründet die Zurückhaltung der Bundesregierung so: „Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es erhebliche Zweifel an den von Amnesty International erhobenen Vorwürfen.“ Ederer beruft sich dabei auf „maßgebliche internationale Akteure auch vor Ort“, die den Bericht „als nicht plausibel“ einstuften. Wer das sein soll, ist der Antwort an Kekeritz jedoch nicht zu entnehmen. Amnesty International hat in seinem Report umfangreich beschrieben, wie schwierig es war, Informationen aus der Marra-Region herauszubekommen. Deshalb hat die Organisation Telefonate geführt, Satellitenbilder, Fotos, Videos und Materialproben aus dem Gebiet selbst ausgewertet und auswerten lassen.

Internationale Akteure sind dort nicht vertreten. Nicht einmal die 20 000-köpfige Friedenstruppe der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union, Unamid, ist jemals dort gewesen. Martin Ihoeghian Uhomoibhi, Unamid-Sonderbotschafter für Darfur gab am 9. Oktober eine Stellungnahme ab, die sowohl Amnesty International als auch der sudanesischen Regierung gelegen kam. Er stellte klar, dass beide Konfliktparteien sich weigerten, Unamid Zugang zur Marra-Region zu gewähren. Informationen aus der Region hat Unamid nicht. Die Truppe sei nicht befugt, einen möglichen Giftgaseinsatz zu untersuchen. Dafür habe Unamid kein Mandat. Allerdings habe sich bei den 20 000 Friedenssoldaten niemand gemeldet, der über einen Giftgaseinsatz berichtete. Auch habe sich niemand in einer der Unamid-Kliniken behandeln lassen. Amnesty International habe es außerdem unterlassen, mit Unamid das Gespräch zu suchen. Amnesty International warf der Bundesregierung derweil vor, die Position der sudanesischen Regierung einfach übernommen zu haben.

Bundesregierung: Kein Grund über Konsequenzen nachzudenken

Die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort jedenfalls, dass sie bisher keine Gründe sieht, über „mögliche Konsequenzen im bilateralen Verhältnis und im EU-Rahmen“ mit dem Sudan zu beraten. Seit einigen Monaten bildet die EU sudanesische Grenztruppen aus und zahlt dem Sudan erhebliche Summen, um Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa aufzuhalten. Für Kekeritz ist das der tiefere Grund für das Schweigen der Regierung: „Es ist besorgniserregend, wenn die Bundesregierung die Authentizität der Berichte vom Chemiewaffeneinsatz anzweifelt, anstatt eine umfassende und transparente Untersuchung der Vorwürfe einzufordern.“

Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) teilte dem Tagesspiegel am Montag mit, dass sie bisher keine Beurteilung über den Fall abgeben könne. Neue Erkenntnisse, die mit der Öffentlichkeit geteilt werden könnten, gebe es nicht.

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