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Kampf gegen die Kälte: Außerhalb von Damaskus sammeln Kinder Brennholz.

© Amer Almohibany/AFP

Krieg in Syrien: "Kinder müssen Gras essen"

Rani Rahmo leitet die SOS-Kinderdörfer in Syrien: Ein Gespräch über Not, Flüchtlinge, mangelnde Zuversicht und Russlands Eingreifen.

Herr Rahmo, inwiefern hat sich die Situation in Syrien durch Russlands Intervention verändert?

Es mag sich für Europäer womöglich überraschend anhören, aber im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Sicherheitslage verbessert. Seit Moskau Luftangriffe auf Stellungen der Rebellen fliegt, gibt es zum Beispiel deutlich weniger Mörserattacken auf Damaskus. Ähnliches wird auch aus der Gegend um Aleppo berichtet. Der Krieg, so hoffen viele Syrer, könnte sogar in einem Jahr vorbei sein.

Weil das Regime von Baschar al Assad die Aufständischen mithilfe Russlands ausgeschaltet hat?

Viele Menschen in Syrien wollen nur noch eines: Frieden, egal, wer ihnen den bringt. Sie wollen wieder leben können, ohne beschossen zu werden. Ihre Kinder sollen wieder zur Schule gehen können und eine Perspektive bekommen.

Selbst wenn es Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts geben sollte - nach wie vor sind sind Millionen Syrer auf der Flucht. Wie sieht die humanitäre Lage im Land aus?

Wirklich katastrophal. Die medizinische Versorgung ist weitgehend zusammengebrochen. Die Hälfte der Krankenhäuser wurde zerstört, nur wenige Kliniken funktionieren noch. Medikamente sind Mangelware. 25 Prozent der Schulen existieren nicht mehr, zwei Millionen Kinder bekommen keinen Unterricht. Die Preise sind explodiert.

Wie viele Menschen haben bereits ihre Heimat verloren?

Im Land selbst sind schätzungsweise sieben Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. Dazu kommen wohl fünf Millionen, die jetzt außerhalb Syriens leben. Mehr als 13 Millionen Syrer von insgesamt 23 Millionen sind dringend auf Hilfe angewiesen.

Rani Rahmo (50) ist seit fünf Jahren Direktor von SOS-Kinderdörfer in Syrien.
Rani Rahmo (50) ist seit fünf Jahren Direktor von SOS-Kinderdörfer in Syrien.

© SOS-Kinderdörfer weltweit/S. Chybiak

Vor allem Kinder sind die Leidtragenden des Krieges. Wie sieht deren Alltag aus?

Besonders dramatisch ist die Situation außerhalb von Damaskus. Dort leben die Kinder in ständiger Angst vor Bombardements, sind traumatisiert. Es gibt viel zu wenig Lebensmittel. Mädchen und Jungen essen Gras. SOS-Kinderdörfer versucht, so gut es geht die Not zu lindern.

Und wie?

Wir haben zum Beispiel einige temporäre Heime für Kinder eröffnet, die ihre Eltern verloren haben. Bis zu 1000 Mädchen und Jungen können dort aufgenommen werden. Doch das ändert leider wenig daran, dass die Menschen oft keine Lebensgrundlage mehr haben, geschweige denn eine Perspektive.

Verlassen deshalb Zehntausende das Land in Richtung Europa?

Ganz sicher. Sollten Europas Grenzen offen bleiben, könnten sich noch bis zu zwei Millionen Syrer auf den Weg machen. Alle, mit denen ich rede, wollen das Land verlassen. Die Passbehörde in Damaskus wird fast überrannt. 5000 Menschen stehen dort täglich an. Sie wollen raus. Und das so schnell wie möglich.

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