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Wasserrohrbruch in einem Flüchtlingslager in der Stadt Aden. 80 Prozent der jemenitischen Zivilbevölkerung ist mittlerweile auf Hilfe angewiesen.

© Saleh Al-Obeidi/ AFP

Kriegspartei organisiert Geberkonferenz für Jemen: Armutszeugnis für die Vereinten Nationen

Saudi-Arabien bombardiert im Nachbarland auch Krankenhäuser - dennoch darf sich Kronprinz Mohammed als Wohltäter aufspielen. Das ist zynisch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Wie bitte? Saudi-Arabien organisiert eine Geberkonferenz für das Nachbarland Jemen in Kooperation mit den Vereinten Nationen? Klingt erst mal gut, wenn man sich vor Augen hält, dass die jemenitische Bevölkerung nach fünf Jahren eines internationalen Krieges auf seinem Territorium von Corona bedroht und am Verhungern ist – 80 Prozent der Bevölkerung sind mittlerweile auf Hilfe angewiesen, etwa 100 000 Menschen sollen getötet worden sein.

Nur ist Saudi-Arabien einer der Kriegstreiber, der durch wahllose Luftangriffe auch auf zivile Einrichtungen und eine Blockade des Landes einen zunächst internen Konflikt in einen internationalen Krieg und eine menschengemachte humanitäre Katastrophe verwandelt hat.

In völliger Selbstüberschätzung hatte Kronprinz Mohammed bin Salman diesen Krieg 2015 begonnen, um sich in Abkehr von der traditionell zurückhaltenden Außen- und Regionalpolitik Riads im internen saudischen Machtkampf als starker Mann zu positionieren.

Und um – besessen von einem sunnitisch-schiitischen Machtkampf in der Region – den Erzrivalen Iran einzuhegen.

Ein Draufgänger kämpft mit Waffen statt Politik

Wie ein Draufgänger das eben macht, mit Waffen statt mit Politik. Doch aus wenigen Wochen – so der dilettantische Plan angesichts der Mediokrität der saudischen Streitkräfte und der komplexen innenpolitischen Situation in Jemen – sind fünf lange Jahre geworden.

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Und Kronprinz Mohammed führt weiter Krieg, obwohl er sich mit seinen Alliierten zerstritten hat, keines seiner Ziele erreichen wird und die Lage in Jemen endlos unübersichtlich geworden ist. Doch nun will Kronprinz Mohammed sein Image aufpolieren und sich als humanitärer Player darstellen statt als Kriegspartei.

Das geschieht auch im Hinblick auf Saudi-Arabiens derzeitige Präsidentschaft der G20, deren Gipfel im November in Riad stattfinden soll.

Die bestialische Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul und die unzureichende Aufarbeitung stören hier offensichtlich auch nicht.

Die UN müssen dem Kronprinzen Grenzen aufzeigen, statt ihm zu assistieren

Es ist eine Schande, dass die Vereinten Nationen nicht mit Unterstützung anderer Staaten eine Geberkonferenz für humanitäre Hilfe auf die Beine stellen – die angesichts der leeren Hilfskassen für Jemen dringend notwendig ist. Nachdem die gleichen UN in einem Bericht im September 2019 festgestellt haben, dass wohl auch Saudi-Arabien Kriegsverbrechen begeht, da es Listen mit zivilen Einrichtungen bei seinen Luftangriffen ignoriert und regelmäßig Krankenhäuser und Flüchtlingslager in Schutt und Asche legt und damit für viele zivile Opfer verantwortlich ist.

Was wir jetzt erleben ist nicht Realpolitik, bei der man manchmal die Zähne zusammen beißen muss. Das ist Zynismus.

Die UN sollten sich darauf konzentrieren, das mittlerweile fast Unmögliche zu schaffen, eine politische Lösung mit allen regionalen Kriegsteilnehmern, westlichen Waffenlieferanten und den internen rivalisierenden Gruppen. Dazu gehört, dem saudischen Kronprinzen seine Grenzen aufzeigen. Statt ihm zu assistieren.

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