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Politik: Kriminalität von Rechts: Mehr rechtsextremistische Straftaten denn je

Im Jahr 2000 haben Rechtsextremisten und Rassisten so viele Straftaten begangen wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Delikte liegt nach Schätzung der Sicherheitsbehörden bei knapp 14 000.

Von Frank Jansen

Im Jahr 2000 haben Rechtsextremisten und Rassisten so viele Straftaten begangen wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Delikte liegt nach Schätzung der Sicherheitsbehörden bei knapp 14 000. 1999 waren es 10 037. Bei Gewalttaten gab es eine Steigerung um etwa 100 auf rund 840. Skinhead-Konzerte nahmen ab, waren aber häufiger von Krawallen begleitet. Die Zahlen wurden letzte Woche bei einer Tagung von Experten der Polizei, des Verfassungsschutzes und der Justiz in Köln bekannt.

Die enorme Zunahme der rechten Delikte hat nach Ansicht der Sicherheitsbehörden viele Ursachen. Erwähnt werden vor allem die Nachahmertaten, die es nach dem noch unaufgeklärten Anschlag auf zumeist jüdische Aussiedler Ende Juli in Düsseldorf gegeben hat. Außerdem habe mit dem Einsetzen der Debatte über die rechtsextreme Gefahr die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und bei der Polizei zugenommen.

Zu hören ist aber auch eine Erklärung, in der die Aussagekraft der früheren Statistiken angezweifelt wird: "Möglicherweise haben wir im Jahr 2000 zum ersten Mal überhaupt ein realistisches Lagebild", sagte ein Experte dem Tagesspiegel. Demnach falle der Anstieg gegenüber 1999 nicht so gravierend aus, wie die Zahlen angeblich zeigen. Vielmehr sei in den letzten Jahren vermutlich ein beträchtlicher Anteil der rechten Straftaten in keiner Polizeistatistik aufgetaucht. Ähnliche Kritik hatte im letzten Jahr der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer geäußert, der im Dezember zum Justizminister Niedersachsens ernannt wurde.

Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden vor allem die Zunahme der rechten Gewalt. Neben dem Anstieg der Deliktzahlen, vor allem bei fremdenfeindlichen Angriffen, fällt die Stärkung des Potenzials der gewaltbereiten Rechtsextremisten auf. Dieser Kategorie werden jetzt knapp 10 000 Skinheads und Neonazis zugerechnet (1999: 9000). Die Militanz zeigt sich unter anderem bei der Auflösung von Skinhead-Konzerten. Die Zahl derartiger Veranstaltungen ist zwar von 109 auf 76 zurückgegangen, doch haben Kahlköpfe mehrmals massiv Widerstand geleistet. Außerdem versucht ein Teil der Szene, das im September von Bundesinnenminister Otto Schily ausgesprochene Verbot der Gruppierung "Blood & Honour" zu umgehen. Als Geheimcode für Veranstaltungen von "Blood & Honour" gilt jetzt die Zahl 28 - nach der Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet entspricht dies "B" und "H".

Die in Köln bei der Tagung der "Informationsgruppe Rechtsextremismus" genannten Zahlen für 2000 sollen bis Ende des Monats präzisiert sein. Zur Zeit übermitteln die Landeskriminalämter ihre Daten dem Bundeskriminalamt (BKA). Zu der Tagung der "Informationsgruppe Rechtsextremismus" kamen etwa 40 Experten zusammen. Sie vertraten das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Ämter und Abteilungen für Verfassungsschutz in den Ländern, das BKA, die Landeskriminalämter, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundesanwaltschaft und das Bundesinnenministerium.

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